ÖVP-Karas: „Österreich stellt sich mit Flüchtlingspolitik ins Eck“
Die nationalen Alleingänge der Regierung missfallen den österreichischen EU-Parlamentariern quer durch alle Fraktionen – mit Ausnahme der FPÖ. 2 In Brüssel bilden sie eine breite Allianz: Die Abgeordneten von ÖVP, SPÖ, Grüne und Neos sind besorgt über nationale Alleingänge Österreichs in der Asylfrage.
Mitte nächster Woche wollen sie bei einer gemeinsamen Pressekonferenz eine Erklärung abgeben: „Der Schwenk in der Flüchtlingspolitik hat das Land und die handelnden Personen Reputation gekostet. Österreich stellt sich mit seiner Flüchtlingspolitik ins Eck“, sagt ÖVP-Delegationsleiter Othmar Karas. Und fügt hinzu: „Meine Haupt- sorge ist der Zungenschlag.“Der einflussreiche EU-Abgeordnete sagt, dass es ein „schwerer Fehler“war, die Balkan-Konferenz ohne Vertreter Griechenlands, Deutschlands, Schwedens und der EU-Kommission durchzuführen. „Das hat nicht zur Einigung, sondern zur Spaltung in der EU beigetragen.“
Nicht anders sieht es auch die Vizepräsidentin des EU-Parlaments, Ulrike Lunacek. „Die Balkan-Konferenz hat die EU wirklich vor den Kopf gestoßen, so geht man mit Partnern nicht um.“Sie wundert sich, warum Außenminister Sebastian Kurz und Innenministerin Johanna Mikl-Leitner als Christdemokraten die Menschen- und Grundrechte in der Flüchtlingspolitik dermaßen außer Kraft setzen können. Hinzu kommen die hohen Kosten der Grenzmaßnahmen. „Für Wirtschaft und Konsumenten ist das sehr teuer.“Die Grüne Abgeordnete bezweifelt, ob der von Kurz und Mikl-Leitner initiierte BalkanPakt überhaupt etwas bewirkt. Slowenien schert bereits aus, Innenministerin Vesna Györkös Znidar drängt Österreich, die Grenzkontrollen zu beenden. Lunaceks Fazit: „Kurz und Mikl-Leitner denken nur innenpolitisch.“
Unzufrieden mit der heimischen Performance ist auch der Vizechef der Europäischen Sozialdemokraten (SPE), Josef Weidenholzer. „Österreich hat den europäischen Weg verlassen. Das Bild des Landes leidet darunter“, klagt er. „Die Art und Weise, wie Österreich derzeit mit der Flüchtlingsfrage umgeht, ist sehr undiplomatisch. Wir hätten niemals erwartet, dass man innerhalb kürzester Zeit so viel Porzellan zerschlagen kann“, stellt der Menschenrechtssprecher der SPE fest. Und das, obwohl Österreich mit 90.000 aufgenommenen Asylwerbern im Jahr 2015 „Großartiges“geleistet hat. Alle drei Abgeordneten finden, dass der sozialdemokratische schwedische Regierungschef Stefan Löfven ruhiger und besonnener mit dem Flüchtlingsansturm umgegangen sei als Österreich. 163.000 Migranten hat Schweden 2015 aufgenommen und wegen der Überforderung Grenzkontrollen einge- führt und Abschiebungen angekündigt. Aber: „Schweden hat damit nicht EU-Partner bloßgestellt“, betont Lunacek. Über Twitter meldet sich auch der ehemalige Fraktionsvorsitzender der SPE, Hannes Swoboda, zu Wort: „Warum korrigiert die SPÖ die katastrophale ÖVP-FPÖ-Linie nicht?“, hinterfragt er kritisch die SPÖ-Haltung. In einem anderen Tweet betont er, dass „Österreich einst eine gemeinsame EU-Lösung für die Flüchtlingsfrage wollte, jetzt torpediert es die EU-Solidarität durch eine Balkan-Konferenz ohne die EU, Deutschland und Griechenland.“margaretha.kopeinig@kurier.at
Twitter: @marga_kopeinig