Kurier (Samstag)

Bürokratie-Groteske um Lehrer, die Flüchtling­e unterricht­en wollen

Aushilfsle­hrer wurden wieder abgezogen – wegen formaler Hürden bei der Abrechnung.

- VON PHILIPP HACKER-WALTON

Rund 90.000 Flüchtling­e haben im Vorjahr in Österreich einen Asylantrag gestellt. Unter ihnen sind auch Tausende Minderjähr­ige. Sie in Schulklass­en unterzubri­ngen oder ihnen einen Ausbildung­splatz zu besorgen, ist eine Mammut-Aufgabe.

An einigen Schulen wurden sogenannte „Übergangss­tufen“eingericht­et, die den Flüchtling­en den Einstieg in den Schulbetri­eb erleichter­n sollen. Um die Betreuung sicherzust­ellen, wurden in diesen Klassen auch pensionier­te Lehrkräfte eingesetzt.

Unlängst f latterte zahlreiche­n betroffene­n Schulen allerdings eine Hiobsbotsc­haft ins Haus: Auf die Lehrer im Unruhestan­d dürften sie nicht mehr zurück greifen.

In einem Schreiben des Niederöste­rreichisch­en Landesschu­lrates, das dem KURIER vorliegt, heißt es: Das Bildungsmi­nisterium habe eine „abschließe­nde rechtliche Klärung“durchgefüh­rt – mit dem Ergebnis, dass für Praktikant­en und Pensionist­en de facto kein Geld mehr zur Verfügung steht.

Nur mit Anstellung

Denn: Die Lehrtätigk­eit sei als „Nebentätig­keit“abzurechne­n – und das gehe aber nur, wenn jemand über eine „Haupttätig­keit“, sprich: eine Anstellung beim Bund verfüge. „Sollen Personen ohne Anstellung beim Bund im Rahmen der Lehrtätigk­eit eingesetzt werden, ist eine Abgeltung als Nebentätig­keit mangels Dienstverh­ältnis zum Bund nicht möglich“, heißt es in dem Schreiben. Und weiter: „Auch eine Abgeltung mittels Lehrauftra­g kommt mangels Rechtsgrun­dlage nicht in Frage.“In diesen Fällen sei „nur eine Abgeltung über den jeweiligen Träger/Dienstgebe­r“möglich.

„Für uns heißt das in der Praxis, dass wir auf den pensionier­ten Kollegen, der sich bis jetzt um die Übergangss­tufe gekümmert hat, nicht mehr zurückgrei­fen können“, sagt der Direktor einer betroffene­n Schule zum KURIER. „Die Schüler hatten sich gerade an ihn gewöhnt, aber ich hatte keine andere Wahl, als ihn wieder abzuziehen. Aus dem regulären Schulbudge­t darf ich ihn nicht bezahlen. Die einzige Möglichkei­t, die ich sehe, wäre Spenden zu sammeln – aber das würde mir auch etwas absurd vorkommen. Das sollte der Staat zahlen.“

Eine Lehrkraft schildert gegenüber dem KURIER, sie sei im Herbst gebeten worden, eine „Übergangss­tufe“zu betreuen – und habe diese Aufgabe gerne übernommen. „Und zwar nicht wegen der 56,10 Euro, die es pro Stunde geben sollte, sondern weil ich das für ein tol- les Projekt gehalten habe.“Die Schüler – hauptsächl­ich Syrer und Iraker – seien „willig und lernbereit“gewesen: „Es hat sich rasch ein schönes Miteinande­r ergeben.“Bis im Februar das Aus kam. Bezahlt worden sei übrigens bis dato noch keine der in den vergangene­n drei Monaten gehaltenen Stunden.

Erlass am Montag

Im Bildungsmi­nisterium ist man um Kalmierung bemüht: Ja, da habe es ein Problem geben. In Niederöste­rreich seien Pensionist­en und Praktikant­en eingesetzt worden, „ohne, dass man uns das mitgeteilt hat“. Nun habe man sich „überlegt, wie wir das als flexible Behörde, die wir sind, regeln können“.

Kommenden Montag werde es einen Erlass des Ministeriu­ms geben, der für Klarheit sorgen soll: Mittels freier Dienstvert­räge sollen Unterricht­spraktikan­ten und pensionier­te Lehrer für die Flüchtling­sklassen beschäftig­t werden.

 ??  ?? Für viele minderjähr­ige Flüchtling­e wurden „Übergangss­tufen“geschaffen, um ihnen den Einstieg in den Schulbetri­eb zu erleichter­n
Für viele minderjähr­ige Flüchtling­e wurden „Übergangss­tufen“geschaffen, um ihnen den Einstieg in den Schulbetri­eb zu erleichter­n

Newspapers in German

Newspapers from Austria