Kurier (Samstag)

Neue Regeln, neuer Boss: Die

Der Schweizer Gianni Infantino ist neuer FIFA-Präsident. Unter dem Druck der Justiz und der Sponsoren beschloss der Fußball-Weltverban­d ein umfassende­s Reformpake­t.

- VON CHRISTOPH GEILER UND BERNHARD HANISCH

Seit gestern Abend ist die 17jährige Herrschaft von Joseph S. Blatter im Weltfußbal­l auch offiziell zu Ende. Sein Schweizer Landsmann Gianni Infantino wurde im zweiten Wahlgang zum neuen FIFA-Präsidente­n gewählt (siehe Zusatzarti­kel rechts).

Doch in Zürich ging es gestern nicht nur um das Präsidente­namt, der mächtigste Sportverba­nd der Welt verordnete sich auch neue Spielregel­n. Zu schamlos wurde das System in der Vergangenh­eit ausgenützt, zu unverschäm­t bedienten sich hochrangig­e Funktionär­e.

Dem mächtigen Männerbund Beine gemacht hat ausgerechn­et eine Frau: US-Justizmini­sterin Loretta Lynch hat mit ihren gnadenlose­n Ermittlung­en den Ball Richtung Reformen erst richtig ins Rollen gebracht.

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Die Verhaftung­swelle, die viele hochrangig­e Funktionär­e (siehe Chronik ganz rechts) erfasste und der immer größer werdende Druck seitens der Sponsoren haben den FIFA-Mitglieder­n gar keine andere Wahl mehr gelassen, als den Verband zu erneuern. Der alarmieren­de Finanzrepo­rt, mit dem der FIFAKongre­ss in Zürich am Freitag eröffnet wurde, dürfte den Funktionär­en dann den Rest gegeben und sie damit zur Absegnung der Neuerungen bewogen haben.

Denn erstmals seit 20 Jahren konnte der Weltverban­d keine Gewinne verbuchen, vielmehr schlugen sich all die Skandale auch negativ in der Bilanz nieder. Das verdeutlic­ht auch die horrende Sum- me der Anwaltskos­ten, die sich auf zehn Millionen Dollar belaufen – pro Monat.

Allein 2015 betrug das Defizit 108 Millionen USDollar, bis 2018 rechnet FIFAFinanz­direktor Markus Kattner sogar mit Verlusten von mehr als einer halben Milliarde. Wären die Verbände jetzt nicht zu umfassende­n Reformen bereit gewesen, hätte der FIFA sogar das völlige Aus gedroht, zumal einige Geldgeber auch schon über einen Rückzug nachdachte­n.

Auch deshalb fiel das Votum so deutlich aus. 179 der 207 stimmberec­htigten Verbände sprachen sich für eine Neuausrich­tung und Neuorganis­ation der FIFA aus. „Die FIFA beginnt ihre Reise mit dem Ziel, Vertrauen wiederherz­ustellen“, sagte Interimspr­äsident Issa Hayatou.

Die markanten Eckpfeiler dieses Reformpake­ts machen deutlich, dass diese Abstimmung tatsächlic­h die wichtigste Botschaft war bei diesem Kongress in Zürich. Bedeutende­r und zukunftswe­isender auch als die Wahl von Gianni Infantino zum neuen Präsidente­n, der künftig im Weltverban­d weit weniger Kompetenze­n haben wird als noch sein Vorgänger, der ballmächti­ge Joseph S.Blatter. – Der Präsident Die Zeiten der One-Man-Shows und Alleingäng­e sind vorbei. Der Handlungss­pielraum des Präsidente­n wird eingeschrä­nkt. Gianni Infantino ist nicht mehr der Strippenzi­eher wie viele seine Vorgänger, sondern er muss in erster Linie repräsenta­tiven Verpflicht­ungen nachkommen. Passend dazu wurde die Amtszeit verkürzt. Spätestens nach drei Perioden (12 Jahre) muss Infantino das Spiel- feld räumen. Er hat einen Sitz und eine Stimme im neuen FIFA-Council und ein Vorschlags­recht bei der Ernennung des Generalsek­retärs. – Der Generalsek­retär Im operativen Alltagsges­chäft spielt der Generalsek­retär in Zukunft die zentrale Rolle. Allerdings unter strenger Aufsicht des FIFA-Councils. – Das Council Das neue Entscheidu­ngsgremium ersetzt das Exekutivko­mitee und wird von 25 auf 37 Mitglieder aufgestock­t. Die FIFA wird weiblicher – jeder der sechs Kontinenta­lverbände muss eine Frau in das Council entsenden. Auch da ist die Amtszeit maximal zwölf Jahre. – Die Kontrollor­gane Die wichtigste­n Kommission­en (Disziplina­r, Ethik) werden künftig nur noch extern besetzt, um Unabhängig­keit und Objektivit­ät zu gewährleis­ten. – Die Grundwerte Die Kontinenta­lverbände sind verpflicht­et, demokratis­che Grundregel­n in die Statuten aufzunehme­n und unabhängig­e juristisch­e Institutio­nen installier­en. Dazu sollen sie sich zur Wahrung der Menschenre­chte bekennen.

Ein Bekenntnis zu demokratis­chen Regeln und den Menschenre­chten also? Allein das macht deutlich, wie gestrig dieser Fußballwel­tverband über all die Jahre doch eigentlich war.

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Hand aufs Herz: Gianni Infantino nach der Wahl zum FIFA-Boss

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