Kurier (Samstag)

PAS DE DEUX

„Es gibt nichts, das besser ist als guter Sex. Aber schlechter Sex? Ein Sandwich mit Erdnussbut­ter und Marmelade ist besser“, sagte der Sänger Billy Joel einmal. Stimmt. Und es stimmt ebenfalls, dass guter Sex stets die hohe Kunst des Einfühlens bedingt:

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it Sex die Welt retten, das hätte doch was. Jeder Koitus ein Puzzlestei­n für ein besseres Miteinande­r, quasi als ökologisch­er Kuss-Abdruck des großen Ganzen. Das Zauberwort dazu? Empathie! Ein-Fühlungs-Vermögen. Mit ein bisschen mehr Gespür für den anderen Menschen und das, was er braucht. Mit Hinwendung und Zuwendung würde nämlich nicht nur das sexuelle Miteinande­r besser, sondern jede Form des Zusammenle­bens. Wer andere Menschen spüren und annehmen kann, macht das Leben eine Spur wertvoller und friedliche­r. Und das nicht nur, wenn es darum geht zu vögeln oder gevögelt zu werden. Ein sehr schönes Beispiel kommt von der D. Die D ist zwar nicht mehr die Jüngste, aber jung genug, um nach ihrer Scheidung das zu tun, wonach ihr ist: schnacksel­n, was geht. Nicht zwingend mit jedem, sondern mit auserwählt­en Herren, von denen sie findet, dass sie ihr gut zu Gesicht und Vagina stehen. Unlängst beklagte sie am Telefon die Unsitten der Herren – die Art und Weise, wie sie an das Thema „Liebe machen“herangehen. Lieblos, nämlich, wie D registrier­t hat, nein, noch mehr: „Liebloser denn je“. Diesbezügl­ich bemerke sie einen „Sitten“verfall, so in diesem Kontext tatsächlic­h von Sitten gesprochen werden kann. Eine unangenehm­e Oberflächl­ichkeit, die von Tempo und Egoismen geprägt sei. Zwar hätte niemand etwas gegen einen wirklich geilen Quickie, so aus der Hüfte heraus. Aber Non-Stop-Husch-Pfusch in der Horizontal­e ginge auf Dauer gar nicht. D erinnert sich an ihren letzten Lover. Der war zwei Jahre jünger als sie, also 38, und schien extrem smart, klug, witzig, eloquent. Er roch auch fantastisc­h. Erst sprach man über Literatur, dann trank man Wein, irgendwann landeten die beiden im Bett ihres Schlafzimm­ers. D schildert: „Und dann, stell dir vor, macht sich der nicht einmal die Mühe, mich auch nur ansatzweis­e in Stimmung zu bringen!“Ein kurzes, fahriges Fingerspie­l, dann Eindringli­chkeiten. Null Nachfrage, sondern ein Wunsch danach: Gibt’s eh ein Bier bei dir? Anders der Typ, zwei Wochen später: ein Quickie zwar, aber was für einer. „Der Mann wusste genau, was er tat. Jeder Griff saß, jede Berührung schien auf mich abgestimmt. Noch nie habe ich mich so genommen und angenommen gefühlt.“Intimität meint Intimus – dem Rand am entferntes­ten, am weitesten innen. Im sexuellen Sinn geht’s da nicht um simples eindringen und eindringen lassen, sondern um Vertiefung. Das Wort „Hingabe“passt da gut. Hingabe an den Moment, einerseits – aber auch Hingabe an den anderen. Zwei tanzen einen Tanz, bei dem jeweils der Takt des anderen berücksich­tigt wird und mitschwing­t. Was dazu passt: Sex mit offenen Augen. Herrlich. Er bedingt, dass man sich bedingungs­los aufeinande­r einlässt und die Erregungsm­uster des anderen wahrnimmt. Eigene Sinneserfa­hrungen verschmelz­en mit jenen des Partners. Wie viel das mit allem und der Welt zu tun hat, drückte der bekannte Sexualther­apeut David Schnarch sehr schön aus: „Wer dem Partner nicht ins Auge blicken will, sieht vielleicht auch bei anderen Dingen weg oder hat generell Angst, dem Leben ins Auge zu blicken.“

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