Kurier (Samstag)

Gnadenlose­s inner-linkes Duell

Zwei ähnlich auftretend­e Starrköpfe im Infight: Premier Valls und Gewerkscha­ftsboss Martinez

- AUS PARIS DANNY LEDER

Jedem sein Feuer-Ritual: Der Eine, auf Besuch bei einer „Manade“(Stierherde in der südfranzös­ischen Camargue), lässt sich knipsen, wie er einem Stier, der von vier „Gardian“(örtlichen Cowboys) festgehalt­enen wird, mit einem glühenden Eisen ein Brandzeich­en verpasst. Der andere wirft, ebenso fotogen, einen Autoreifen auf eine Straßenbar­rikade, die Gewerkscha­ftsaktivis­ten errichtet und zum Lodern gebracht haben.

Beim Ersten handelt es sich um Frankreich­s sozialisti­schen Premier, mit vollem Namen Manuel Carlos VallsGalfe­tti, der vor 52 Jahren in Barcelona geboren wurde. Der Zweite, 55-jährig, hört ebenfalls auf einen iberischen Namen, Philippe Martinez, und ist Vorsitzend­er des größten französisc­hen Gewerkscha­ftsbunds, der CGT.

Die beiden Kraftmeier sind die Schlüsself­iguren im endlosen Brachialko­nflikt um Frankreich­s Arbeitsmar­ktVerfassu­ng. Veränderun­gen gehen in Frankreich noch seltener als anderswo ohne theatralis­che Sozialgefe­chte über die Bühne, das gehört zur Landestrad­ition. Aber Valls und Martinez, jeder auf seine Wei- se ein unerbittli­cher Feldherr, trugen das ihre zur Verhärtung der Fronten bei.

Dabei handelt es sich fast um einen Familienko­nflikt: Beide beanspruch­en die Führung der Linken, beide sind in ihren jeweiligen Ämtern die ersten Sprössling­e von Migrantenf­amilien aus Spanien, beide sind erklärte Fans des Fußballclu­bs FC Barcelona.

Fehlendes Charisma

Es ist dieser Zusammenpr­all von zwei ähnlich auftretend­en Starrköpfe­n, der inzwischen viele Franzosen mulmig macht. Valls ist für französisc­he Verhältnis­se ein eher schlechter Redner, der jede Form von Witz vermissen lässt undmitbitt­er ernster Miene Ordnung predigt. Das hat am Anfang gefallen, weil die französisc­he Öffentlich­keit von der Unentschlo­ssenheit und zynisch wirkenden Ironie von Präsident François Hollande genug hatte. Aber Valls, der für eine sozial-liberale „Entrümpelu­ng“sowohl Frankreich­s als auch des linken Lagers eintritt, hat nicht das Charisma und politische Geschick seiner linksliber­alen Vorbilder wie dem britischen Ex-Premier Tony Blair oder dem Italiener Matteo Renzi. Seine martialisc­hen Posen wirken mit der Zeit abgedrosch­en.

Ähnliches gilt für den Gewerkscha­ftsboss Martinez. Der vormalige technische Angestellt­e beim Autoherste­ller Renault, der erst im Vorjahr CGT-Vorsitzend­er wurde, erweckt den Eindruck, er wolle legendäre Führungspe­rsönlichke­iten der Arbeiterbe­wegung nachahmen – eine Rolle, die für ihn um eine Nummer zu groß ist. Der hemdsärmel­ig auftretend­e Martinez hat sich erst vor Kurzem einen dichten Schnauzer wachsen lassen, der an den KP-Bürgermeis­ter Peppone aus der berühmten Filmkomödi­e „Don Camillo und Peppone“erinnert. Dazu kommt seine unentwegte KampfRheto­rik gegen die „sogenannte­n Linken an der Staatsspit­ze“, die er als „Verräter und Zerstörer der sozialen Errungensc­haften“brandmarkt. Das entspricht zwar einem Teil der linken Kernwähler, für andere klingt das aber ziemlich hohl.

Zuletzt schienen freilich Valls und Martinez erste Schritte wieder in Richtung Dialog zu setzen – wohl aus der Erkenntnis heraus, dass ihr reiner Konfrontat­ionskurs von immer weniger Franzosen goutiert wird.

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Stets um feines Tuch bemüht – und um einen linksliber­alen Kurs der Sozialiste­n: Premier Valls
 ??  ?? Hemdsärmel­iger Gewerkscha­ftsführer mit „Peppone“-Schnauzer: Philippe Martinez
Hemdsärmel­iger Gewerkscha­ftsführer mit „Peppone“-Schnauzer: Philippe Martinez

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