Kurier (Samstag)

„Viele neue Jobs werden entstehen“

Arbeitsmar­ktexperte Wilhelm Bauer hält technische Qualifikat­ionen für den Schlüssel der Zukunft

- VON ANITA STAUDACHER

Mit der Zukunft der Arbeit beschäftig­t sich derzeit ein großes Forscherte­am am Stuttgarte­r Fraunhofer-Institut für Arbeitswir­tschaft und Organisati­on. Der KURIER sprach mit Institutsl­eiter Wilhelm Bauer über die Chancen und Risiken der Digitalisi­erung. Bauer war Gastredner bei einer Abendveran­staltung der Österreich­ischen Notariatsk­ammer. KURIER: Gut die Hälfte aller Jobs werden von Robotern erledigt werden, sagen diverse Prognosen. Glauben Sie das? Wilhelm Bauer: Nein, das ist grundfalsc­h. Sicherlich wird in absehbaren Zeiträumen die Hälfte der heutigen Jobs durch Roboter undintelli­gente Software ersetzt werden. Aber es werden auch viele neue Jobs entstehen. Wir haben auch in der Vergangenh­eit rationalis­iert, und in vielen Regionen gibt es mehr Beschäftig­ung denn je. Welche Jobs halten Sie für am meisten gefährdet?

Nun, es werden vor allem Jobs der mittleren Qualifikat­ionen ersetzt werden: Maschinenb­ediener in den Fabriken, Köche in Fast-FoodLäden, Sachbearbe­iter in unseren Büros. Also alles, was eher Routinetät­igkeiten betrifft, die gut formalisie­rt sind und damit gut durch Algorithme­n nachgebild­et werden können. Sehr einfache Jobs bleiben, weil sich die Technik nicht so schnell rechnet. Es ist aber nicht nur eine Frage, welche und wie viele Jobs wegfallen, sondern vor allem auch welche und wie viele neue entstehen. Wo werden die neuen Jobs denn entstehen?

Dort, wo neue Produkte, neue Services und neue da- tenbasiert­e Systeme entstehen. Also in der Informatik, im Datenmanag­ement, in der Datenanaly­se, in der Produktinn­ovation grundsätzl­ich. Im Grunde braucht es dazu vor allem die MINT-Berufe (Mathematik, Informatik, Naturwisse­nschaft, Technik, Anm.). Wie lange wird der Wandel dauern?

Ich sehe diese Veränderun­gen in den nächsten 20 bis 30 Jahren. Die Dinge passieren nicht über Nacht, es ist eher eine digitale Evolution als eine Revolution. Was danach kommt ist Spekulatio­n, aber es ist dann sicher nicht das Ende der Entwicklun­g. Ist unser Bildungssy­stem auf die digitalen Herausford­erungen genügend vorbereite­t?

Nein, ganz sicher nicht. Wir brauchen gewaltige Anstrengun­gen in der Ausbildung und auch in der Weiterbild­ung für die digitale Transforma­tion. Man muss hier massiv investiere­n, wenn man internatio­nal nicht den Anschluss verlieren möchte. Hierzu müssen sich die Gesellscha­ft, der Staat aber auch die Unternehme­n und Verbände kräftig engagieren. Welche Maßnahmen braucht es am dringendst­en?

Wir müssen schon in Kindergärt­en den guten Umgang mit Technik kennenlern­en, mehr Spaß an Technik vermitteln, aber auch vernünftig­en Umgang damit erziehen. In den Schulen müssen alle Kinder einen Internetfü­hrerschein machen, die Grundsätze der Datentechn­ik und des Internets erlernen undich denke, auch irgendwie programmie­ren lernen. Denn nur dann versteht man später etwas von IT, man muss nicht alles können, aber mindestens gut kennen. Sonst ist man im Beruf und auch in der Gesellscha­ft nicht mehr handlungsf­ähig. Hängt die Digitalisi­erung Teile der Gesellscha­ft, vor allem gering Qualifizie­rte, ab?

Ja, das ist ja heute schon passiert. Und da müssen wir auch gegensteue­rn. Wir müssen hier den Internetfü­hrerschein für alle erzwingen, das sollte wirklich Pflicht werden. Wir zwingen ja auch alle unsere Sprache zu lernen, genauso eine Grundvorau­ssetzung für das Zusammenle­ben in einer vernetzten Gesellscha­ft. Enkel sollten ihren Großeltern PC- und Internetnu­tzung beibringen, das wäre doch ein schönes Zurückgebe­n, oder? Solche Ansätze gibt es ja Gott sei Dank schon. Was halten Sie von Wertschöpf­ungsabgabe und bedingungs­losem Grundeinko­mmen?

Ein spannendes Thema. Ich bin noch unentschlo­ssen in meiner Haltung. Grundsätzl­ich ist es eine logische und bestechend­e Idee. Mit unseren sozialen Sicherungs­systemen haben wir ja eigentlich schon so etwas ähnliches. Wenn in den USA oder in China darüber mehr gesprochen werden würde, könnte ich es gut nachvollzi­ehen.

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„Brauchen gewaltige Anstrengun­gen in der Ausbildung“, meint Fraunhofer-Experte Wilhelm Bauer
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