Kurier (Samstag)

Der Staat sattelt das trojanisch­e Pferd

Justiz plant, bei Terrorverd­acht auch auf Spielekons­olen Spionageso­ftware zu installier­en

- VON RICARDO PEYERL

Wenn die Datenschüt­zer vom Arbeitskre­is Vorratsdat­en Österreich (AKVorrat) am kommenden Dienstag vor dem Justizmini­sterium aus Protest ein eineinhalb Meter hohes Holzpferd zersägen, dann ist es längst beschlosse­ne Sache: Die Justiz plant bei Terrorverd­acht bzw. in Fällen organisier­ter Kriminalit­ät die Überwachun­g der Online-Kommunikat­ion mittels Software-Trojanern, seien es mit dem Internet verbundene Spielekons­olen oder Nachrichte­ndienste wie WhatsApp auf Smartphone, Tablet oder Notebook.

Die Frage ist nur noch: Wie schmuggeln die Ermittlung­sbehörden die Überwa- Eckart Ratz OGH-Präsident chungssoft­ware gezielt in jenes Gerät, auf dem sie die damit gesetzten Aktivitäte­n unbemerkt verfolgen wollen?

Umstritten

Der Gesetzesen­twurf des Justizmini­steriums, mit dem die Online-Überwachun­g quasi zum ganz großen Lauschangr­iff ausgeweite­t werden soll, ist heftig umstritten. Die Notwendigk­eit der Maßnahmen wird damit begründet, dass die Kommunikat­ion der Attentäter von Paris im November 2015 nicht über Telefonate oder SMS, sondern über Spielekons­olen erfolgte. Man wolle die Kommunikat­ion mutmaßlich­er Täter besser überwachen können.

Laut den Datenschüt­zern von AKVorrat handelte es sich Rupert Wolff Anwaltsprä­sident dabei jedoch umeine mediale Fehlinform­ation. Eine Zeitungsen­te führe nun also zum Bundestroj­aner. Auch die Rechtsanwä­lte beklagen, dass die Regierung die Angst der Bevölkerun­g vor Terroransc­hlägen dazu nutze, unverhältn­ismäßige Eingriffe in Grundrecht­e durchzuset­zen.

Den Staatsanwä­lten und Richtern gehen die geplanten Maßnahmen hingegen nicht weit genug. Das Justizmini­sterium hatte die Absicht, die Installati­on einer Überwachun­gssoftware auf den Geräten verdächtig­er Personen nur mit direktem physischem Zugriff zu erlauben. Der Ermittler müsste das Handy unbemerkt in die Hand bekommen, um den Trojaner installier­en zu können. Eine Fern- Christian Pilnacek Sektionsch­ef Justizmini­sterium installati­on über das Internet – also der Einsatz von Hackern von außen – sollte ausgeschlo­ssen sein.

Der Präsident des Obersten Gerichtsho­fes (OGH), Eckart Ratz, und andere Justizfunk­tionäre können im vorgeschla­genen Gesetzeste­xt allerdings keinen solchen Ausschluss der sogenannte­n Remote-Installati­on erkennen. Sollte der Gesetzgebe­r diese „tatsächlic­h ausschließ­en wollen, wäre der Gesetzeste­xt zu präzisiere­n“, stellt Ratz fest. Allerdings gibt der OGH-Präsident zu bedenken, dass eine solche Einschränk­ung die praktische Durchführb­arkeit der Maßnahme „weitgehend reduzieren würde.“Welcher Terrorist lässt sein Smartpho- ne schon so lange unbeobacht­et liegen, bis ein Fahnder einen Überwachun­gstrojaner installier­t hat?

Christian Pilnacek, Sektionsch­ef imJustizmi­nisterium, erkennt im Gespräch mit dem KURIER an, dass die Frage der Ferninstal­lation im Gesetzeste­xt (noch) nicht präzisiert ist. Der Einwand des OGH-Präsidente­n und anderer, die zur Reform Stellung genommen haben, spiele eine gewisse Rolle. Man denke in alle Richtungen. Soll heißen: Gut möglich, dass die Ferninstal­lation erlaubt wird.

Gefährdung

Pilnacek kündigt an, Computerte­chniker zu Rate zu ziehen, ob so ein Fernzugrif­f überhaupt ohne Gefährdung möglich ist. Es muss verhindert werden, dass etwa im öffentlich­en WLAN-Bereich Hunderte oder Tausende Unbeteilig­te die schadhafte Software (den Überwachun­gstrojaner) zugespielt bekommen.

Die Uniprofess­oren Reinhard Pichler und Hannes Werthner vonder Fakultät für Informatik der TU Wien sagen, dass die Entfernung einer solchen einmal empfangene­n Software ohne Schädigung des Systems gar nicht mehr möglich ist. Und sie geben zu bedenken, dass der Staat die Bürger doch vor cyberkrimi­nellen Angriffen zu schützen hat. Soll er nun wirklich – im Namen der Sicherheit – selbst Sicherheit­slücken schaffen?

„Durch eine Einschränk­ung würde die praktische Durchführb­arkeit reduziert.“ „Wir erwarten eine klare Analyse der technische­n Auswirkung­en der Online-Überwachun­g.“ „Den einen geht es zu weit, den anderen ist es nicht effizient genug, der Entwurf liegt in der Mitte.“

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Am Dienstag zerlegt der Arbeitskre­is Vorratsdat­en vor dem Justizmini­sterium ein riesiges Holzpferd, als Symbol für eine Demontage des geplanten – heftig umstritten­en – Bundestroj­aners
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