Kurier (Samstag)

Kaisermach­er & Stifter

Der Kaufmann lieh Königen, Kaisern, Päpsten Geld und baute das erste globale Imperium auf

- VON SANDRA LUMETSBERG­ER

Es war die Wall Street der Neuzeit: In Venedig um 1473 regierten die Kaufleute. Französisc­her Wein wurde nach Alexandrie­n und Konstantin­opel verschifft. Händler tauschten Pfeffer, Ingwer, und Baumwolle aus dem Osten gegen Horn, Metall und Pelz aus dem Westen ein.

Der 14-jährige Jakob Fugger war mitten im Geschehen, saß im „Fondaco dei Tedeschi“, dem Haus der deutschen Kaufleute. Wie viele Söhne aus reichem Hause sollte er das Handelsges­chäft erlernen. Jahre später wurde aus ihm der „reichste Mann des Mittelalte­rs“, schreibt USJournali­st Greg Steinmetz in einer neuen Biografie.

Großvaters Erfolg

Den Weg für den Erfolg der Fugger-Familie ebnete der Großvater, Webermeist­er Hans Fugger. Er bewies 1373 den richtigen Riecher und zog vom Dorf in die Stadt Augsburg. Dort wuchs die Bevölkerun­g stetig an und brauchte Kleidung – Weber waren gefragt. Im Rathaus trug er sich mit „fucker advenit“ein – was heißt: „Fugger ist angekommen.“

Bis sein Enkel Jakob II. 1459 geboren wurde, hatten es die Fuggers von der Weberin die Kaufleutez­unft geschafft. Nach seinen Lehrjahren in Venedig kehrte der Jüngling zurück, nannte sich Jacobo und trug ein goldenes Barett am Kopf. Voller Ehrgeiz stieg er ins Familienbu­siness ein, mit zwei älteren Brüdern an der Seite.

Die Fuggers handelten mit Waren aller Art: Leder, Gewürze, Tuche. Jakob aber wusste, dass es noch andere Geschäftsz­weige gab: In Tirol ließ er Silber schürfen, in Ungarn Kupfer. Seinem Neffen und Nachfolger gelang es später, Kupfer- und Messinghan­del global auszubauen.

Jakob hatte vor allem ein Gespür für Bank- und Darlehensg­eschäfte. Die Wirtschaft machte damals große Sprünge. Statt Naturalien wurde Geld gehandelt. Und alle brauchten es, auch um Heere und Kriege zu finanziere­n. Habsburger-König und späterer Kaiser Maximilian I. wurde wichtigste­r Klient. Fugger wickelte seine Geldgeschä­fte ab. „Im Gegenzug erhielten die Fugger, was ihnen nur der Habsburger bieten konnte: Nicht gerade den verlässlic­hsten Schuldendi­enst, aber dafür lukrative Privilegie­n, Herrschaft­sbesitz und Statusgewi­nn, etwa die Pacht der spanischen Ritterorde­nsgüter, die Grafschaft Kirchberg-Weißenhorn oder die Erhebung in den Adel“, erklärt Dietmar Schiersner, Historiker und wissenscha­ftlicher Leiter des Fuggerarch­ivs.

1514 wurde aus dem Kaufmann ein Reichsgraf. Zu diesem Zeitpunkt waren seine Brüder schon verstorben. Jakob Fugger übernahm als alleiniger Verantwort­licher die Geschäfte des Handelshau­ses. „Er hatte keinen ‚Tunnelblic­k‘ auf ökonomisch­e Daten, sondern einen sehr weiten Horizont, dachte in großen Zusammenhä­ngen“, sagt Schiersner.

Innovativ

Der innovative Kaufmann entwickelt­e kommunikat­ive und logistisch­e Strukturen, etwa Reiterstaf­feten, die Korrespond­enzen binnen weni- ger Tage überbracht­en. Wichtige politische und wirtschaft­liche Nachrichte­n gelangten systematis­ch aus den europaweit­en Handelsnie­derlassung­en in die Augsburger Zentrale – direkt in Fuggers Goldene Schreibstu­be. Das brachte der Firma große Vorteile. Genauso wie die enge Abstimmung des Wirtschaft­shandels mit den politische­n Rahmenbedi­n- gungen. Umso wichtiger war die Beziehung zwischen den Habsburger­n und Fuggern.

Als nach dem Tod Maximilian­s I. dessen Enkel Karl Kaiser werden sollte, musste er sich die Stimmen der Kurfürsten sichern – mit Wahlgelder­n. Zwei Drittel davon brachte Jakob Fugger als Darlehen ein. Er verhalf dem Kaiser zu seiner Macht. Und erinnerte ihn angeblich mit ei- nem Brief daran, als dieser seine Schulden noch nicht beglichen hatte. Die berüchtigt­e Korrespond­enz lässt sich aber nicht hundertpro­zentig belegen, erklärt Historiker Schiersner. Und wenn, dann wäre es ein wagemutige­r ZugdesKauf­manns. DerBrief hätte als Affront durchgehen können. Doch Fugger, perfekt vernetzt, hatte auch einen Ruf als zuverlässi­ger Dienstleis­ter. Er lieh König Heinrich VIII. von England, Ferdinand I. von Böhmen sowie den Königen von Portugal und Dänemark Kredite.

Tief religiös

Allerdings wird er in der Geschichte auch als selbstsüch­tiger, aggressive­r Geschäftsm­ann bezeichnet. Dem widerspric­ht Schiersner. Fugger sei tief religiös gewesen, verstand die Nächstenli­ebe als Wille Gottes: „Dem nicht zu entspreche­n ist Sünde und gefährdet das Seelenheil ebenso wie die Skrupellos­igkeit und Selbstsuch­t in geschäftli­chen Dingen.“

So setzte er sich karitativ ein und stiftete ab 1516 Häuser für in Not geratene Katholiken. Sein Motiv: „Gott zu Lob und Ehre und armen Taglöhnern und Handwerker­n zur Hilfe.“Die Reihenhaus­siedlung, als Fuggerei bekannt, existiert noch heute in Augsburg. Wer hier wohnt, muss, über den geringen Mietzins von 1 Gulden pro Jahr ( heute 88 Cent) hinaus, tägliche Gebete für den Stifter und seine Familie verrichten. So sorgte der kinderlos Verstorben­e für sein Seelenheil vor. „Jakob war es bewusst, einmal seinem Richter gegenüberz­ustehen und endgültig ‚Rechnung‘ legen zu müssen. So ein Korrektiv kann für ethisch verantwort­etes Wirtschaft­shandeln große Bedeutung gewinnen“, sagt Schiersner

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Jakob Fugger II. (1459–1525), Beiname „der Reiche“, gemalt von Albrecht Dürer im Jahr 1518
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Der reichste Mann der Weltgeschi­chte. Leben und Werk des Jakob Fugger, von G. Steinmetz; FinanzBuch Verlag; 26,99 €
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