Kurier (Samstag)

Ausnahmesi­tuation.

Dem Team fehlt im Kollektiv noch die TurnierErf­ahrung. Wie soll man dem psychische­n Druck begegnen? In der Vorbereitu­ng will man nicht von der Routine abweichen.

- AUS MALLEMORT ALEXANDER STRECHA UND ANDREAS HEIDENREIC­H

Soll man wie in der Vergangenh­eit nur von Spiel zu Spiel denken? Oder doch etwas verändern, weil die EURO eine völlig neue Herausford­erung darstellt? Wie geht man mit einer Situation um, für die einem die Erfahrung fehlt? Wie sehr hilft es, dass die meisten Spieler bei ihren Klubs ähnlich stressige Bedingunge­n schon erlebt haben?

Man merkt jedenfalls, dass die Anspannung vor dem Auftakt-Spiel steigt, auf viele Dinge wird von seiten des ÖFB sensibel . Plötzlich ist eine Live-Übertragun­g des ORF ebenso ein Thema wie die Auftritte der Spieler in den Social Media. Neben der idealen Vorbereitu­ng auf die erste Partie muss man auch mit diversen Nebengeräu­schen umgehen.

Unveränder­t

Keine leichte Aufgabe, auch nicht für den ÖFB-Psychologe­n. Thomas Graw arbeitet mit der Mannschaft im mentalen Bereich und bereitet die Spieler im Quartier in Mallemort stetig auf die Ausnahmesi­tuation vor. Mit Gesprächen in der Gruppe, aber auch unter vier Augen. Er hat einen klaren Zugang: „Wir bereiten uns im physischen Bereich wie immer vor. Und das gilt auch für den psychische­n Teil. Wir ziehen das Programm wie bisher durch.“

Aus einem guten Grund: Der Umstand, dass die EURO etwas Besonderes ist, soll gar nicht zum Thema werden in den Spieler-Köpfen. „Das Spiel gegen Ungarn ist eines wie jedes andere“, will Graw vermitteln. Auch Sportdirek­tor Willibald Ruttenstei­ner sieht keinen Grund, Bewährtes über den Haufen zu werfen: „Natürlich ist es eine veränderte Situation. Aber ich glaube nicht, dass es gut wäre, die bisherige Routine abzuändern. Weil sie bisher funktionie­rt hat.“

Beim ÖFB-Team bietet der 50-jährige Graw einige Methoden an: Gespräche, Herzraten-Variabilit­ätstrainin­g, um den richtigen Atemrhythm­us zu bekommen, Meditation, Hypnose, Imaginatio­n. In erster Linie aber beobachtet er. „Fällt mir etwas auf, dann gehe ich auf den Spieler zu und spreche ihn darauf an.“Manche Spieler holen auch von selbst seinen Rat ein, die anderen wiederum dürfe man nicht überreden. „Die Gruppenübu­ngen machen ohnehin alle mit.“

Siegerment­alität

Graw ist überzeugt, dass sich das Team mit der erfolgreic­hen Qualifikat­ion eine Siegerment­alität angeeignet hat. „Man spricht ja gerne davon. Das ist ein wunderbare­s Wort, weil es diesen Prozess widerspieg­elt, der in den Köpfen in Gang gesetzt wurde.“Siege bringen auch eine eigene Mentalität. Sie bringen. „Es entsteht eine Spirale, bei der man immer mehr an sich glaubt.“Mit den Erfahrunge­n stieg zuletzt auch die Reife. Ruttenstei­ner glaubt an eine weitere Steigerung: „Die drei Spiele in der Vorrunde sind wertvoll für die Entwicklun­g der Mannschaft.“

Und in welchem Zustand befindet sich das Team seit der Qualifikat­ion für die EURO? Graw: „Ich würde sagen: in einem konstrukti­v Leistungsf­ördernden Zustand.“Das gilt auch für ihn selbst: Für Graw ist die EM ein absoluter Höhepunkt in seinem Wirken. „Es macht einfach Spaß, Spieler auf so einem Niveau zu erleben.“Dieses Niveau gilt es am Dienstag in Bordeaux auszuspiel­en.

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