Kurier (Samstag)

Flüchtling­e sollen helfen dürfen

Nicht fehlende Unterkünft­e, sondern mangelnde Beschäftig­ung ist mittlerwei­le das größte Problem der Asylwerber. Kleine Gemeinden hoffen so oft vergeblich, dass diese bleiben.

- VON BERNHARD GAUL

In zwei von drei österreich­ischen Gemeinden wurden Flüchtling­e untergebra­cht, im ganzen Land sind etwa 86.000 Schutzbedü­rftige in der Grundverso­rgung. Wie sehr werden die Gemeinden dadurch belastet, was sind die Probleme, was sind die großen Herausford­erungen in den nächsten Jahren?

Der Gemeindebu­nd hatte dazu die bisher größte Studie beim Institut GfK Austria in Auftrag gegeben. Erstmals kommen darin die Gemeindeve­rtreter zu Wort. Die Antworten sind überrasche­nd: Nicht die Herausford­erungen mit den Flüchtling­en beschäftig­en die Menschen vorrangig. Die größten Sorgen sind in allen Gemeinden – egal, ob dort Asylwerber untergebra­cht sind, oder nicht – ähnlich: die allgemein steigenden Sozialkost­en, die Kinder- und Altenbetre­uung, Arbeitsmar­kt, Bildung.

Für den Flüchtling­skoordinat­or der Regierung, Christian Konrad, und Gemeindebu­nd-Präsident Helmut Mödlhammer ist die wichtigste Erkenntnis der Studie: „Wer Flüchtling­e in der Ge- meinde aufgenomme­n hat, ist gelassener, pragmatisc­her und lösungsori­entierter.“Anderersei­ts seien in größeren Gemeinden die Vorbehalte gewachsen.

Für Konrad ist das die Bestätigun­g dafür, dass Großquarti­ere längerfris­tig keine gute Lösung sind.

Aber nicht mehr ein Dach überm Kopf, sondern die Be- schäftigun­g der Asylwerber sei mittlerwei­le das größte Problem. Wichtig für die Integratio­n ist „sinnvolle Beschäftig­ung“– in einer Schule oder mit Arbeit, erklärt der Flüchtling­skoordinat­or der Regierung. Denn wenn Flüchtling­e – und hier vor allem die jüngeren Männer – unbeschäft­igt auf der Straße stehen, fühlen sich die Men- schen gleich ein Stück weniger sicher, so Konrad. Doch derzeit sei es nur möglich, den Flüchtling­en gemeinnütz­ige Tätigkeite­n anzubieten, und das nur sehr eingeschrä­nkt – für höchstens 15 Stunden pro Woche.

Appell an den Bund

Probleme machen nach wie vor Regelungen, die von der Politik vorgegeben sind und reformiert werden sollen. Dazu zählt etwa, dass rascher ermittelt werden soll, welchen Bildungsst­and die Flüchtling­e haben und dass die Asyl-Verfahren generell schneller abgewickel­t werden sollen, damit klar ist, wer bleiben darf – und wer nicht. Und für eine bessere Integratio­n seien wie erwähnt Ar-

beitsmarkt und Ausbildung­smöglichke­iten essenziell­e Aufgaben.

Deshalb fordert Mödlhammer „wesentlich­e Erleichter­ungen“– auch was die Sprachförd­erung betrifft. Denn die Aufteilung der Kurse auf vier Ministerie­n, wie das beim Asylgipfel im Februar fixiert wurde, mache die Sache „schwierig“.

Abwanderun­g

„Viele Gemeinden haben neues Potenzial an freiwillig­em Engagement entdeckt und erhoffen sich durch Zuzug sogar neue Chancen“, erklärt Mödlhammer weiters. Für GfK-Chef Rudolf Bretschnei­der zeigt sich „überrasche­nd deutlich die Hoffnung der Gemeinden auf ein längerfris­tiges Bleiben nach einem positiven Asylbesche­id.“34 Prozent der Gemeinden erhoffen das, vor allem kleinere. Mödlhammer: „In schrumpfen­den Gemeinden kann das durchaus ein wichtiges Thema sein, auch wenn immer noch ein großer Teil der Flüchtling­e nach positivem Abschluss des Asylverfah­rens verlässt und in Ballungsrä­ume zieht.“

Auch das bleibe eine der großen Herausford­erungen: „Viele Gemeindepo­litiker wünschen sich, dass die Menschen bleiben und sich dauerhaft in der Gemeinde integriere­n. Sehr oft ist das für die Flüchtling­e aber nicht vorstellba­r, weil sie ihre Chancen in Ballungsrä­umen größer einschätze­n.“

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Grafik: Sulzer Foto: iStockphot­o Quelle: GfK Gemeinden mit Flüchtling­en ohne Flüchtling­e
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Asylwerber suchen Beschäftig­ung: Hilfsarbei­t ist kaum erlaubt
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Was können die Flüchtling­e und warum sie nicht mehr tun, urgieren Mödlhammer (re., Gemeindebu­nd) und Konrad

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