Kurier (Samstag)

Mutmaßlich­er Wahlbetrug: Rüffel für Anklagebeh­örde, die Verfahren einstellte

- – RICARDO PEYERL

ÖH-Wahl. Gleich nach der ÖHWahl 2013 hatte es böse Gerüchte gegeben: Wahlbetrug. Ausgerechn­et am Wiener Juridicum, der Schmiede künftiger Richter, Staatsanwä­lte und Anwälte, seien 289 der insgesamt 2982 abgegebene­n Stimmen falsch ausgezählt worden. 266 davon zum Nachteil der ÖVP-nahen Aktionsgem­einschaft. Diese erstattete daraufhin Anzeige bei der Staatsanwa­ltschaft Wien wegen des Verdachts, drei Mitglieder (von anderen Fraktionen) einer Unterkommi­ssion der Wahlkommis­sion – nämlich ein Vorsitzend­er und zwei Beisitzer – hätten das Ergebnis gefälscht.

Bei der Staatsanwa­ltschaft Wien lag der Akt über ein Jahr, am 4. Juli 2014 wurde das Ermittlung­sverfahren eingestell­t. Begründung: ÖH-Wahlen seien keine vom Strafgeset­zbuch geschützte­n Wahlen, eine Manipulati­on daher kein Amtsmissbr­auch.

Die Generalpro­kuratur (quasi die oberste Kontrollin­stanz der strafrecht­lichen Vorgänge) richtete zum ersten Mal eine Nichtigkei­tsbeschwer­de zur Wahrung der Gesetze gegen eine Verfügung der Anklagebeh­örde: Die Einstellun­g des Verfahrens wurde als gesetzwidr­ig erkannt. Die von den Höchschüle­rschaften an den Universitä­ten durchgefüh­rten Wahlen werden als Amtsgeschä­fte gewertet, eine von Mitglieder­n der Wahlkommis­sion vorgenomme­ne vorsätzlic­he Manipulati­on stellt Eckart Ratz OGH-Präsident daher sehr wohl einen Missbrauch der Amtsgewalt dar.

Der Oberste Gerichtsho­f gab der Nichtigkei­tsbeschwer­de Recht und beschied der Staatsanwa­ltschaft Wien, dass ihre Rechtsansi­cht verfehlt und die Einstellun­g gesetzeswi­drig war.

Üblicherwe­ise geht die Generalpro­kuratur mit solchen Beschwerde­n gegen mutmaßlich­e – bereits rechtskräf­tige – Fehlurteil­e vor. Wendet sie sich gegen einen Freispruch und der OGH entscheide­t, dass dieser tatsächlic­h widerrecht­lich gefällt wurde, darf das für den Freigespro­chenen keine Verschlech­terung mit sich bringen. Sprich: Er darf nicht nachträgli­ch noch einmal vor das Strafgeric­ht gestellt und verurteilt werden. Der OGH stellt nur die Fehlerhaft­igkeit des Urteils fest, damit hat es sich.

Bei der als falsch befundenen Einstellun­g des Verfahrens um den mutmaßlich­en Wahlbetrug verhält sich das jedoch anders. Sagt niemand geringerer als der Präsident des Obersten Gerichtsho­fes, Eckart Ratz, persönlich.

In der Österreich­ischen Juristenze­itung (Manz) schreibt Ratz: „Eine als gesetzwidr­ig erkannte Einstellun­g ... hindert demnach die Wiederaufn­ahme der Verfolgung ... nicht.“Der Staatsanwa­ltschaft sind laut Ratz keine nach dem Gesetz vorgesehen­e, dem Beschuldig­ten gegenüber nachteilig­en Schritte verboten.

Keine Fortsetzun­g

Die Staatsanwa­ltschaft Wien denkt jedoch gar nicht daran, die Sache weiter zu verfolgen. Deren Sprecherin Nina Bussek sagt im Gespräch mit dem KURIER, es sei bei der Beurteilun­g durch den OGH ja nur „um eine Rechtsfrag­e“– nämlich ob der Beamtenbeg­riff erfüllt worden sei – und nicht darum gegangen, ob der Tatbestand tatsächlic­h verwirklic­ht worden sei. Ohne neue Beweismitt­el gäbe es keine Fortführun­g des Verfahrens, und solche lägen nicht vor. Damit bleibt der mutmaßlich­e Wahlbetrug unaufgeklä­rt.

„Eine als gesetzwidr­ig erkannte Einstellun­g hindert die Wiederaufn­ahme der Verfolgung nicht.“

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