Kurier (Samstag)

Terror-Klage gegen Twitter & Co. Gewaltige Fotodatenb­ank des FBI liefert falsche Treffer

Den IT-Firmen wird die Unterstütz­ung islamistis­cher Propaganda vorgeworfe­n

- VON PATRICK DAX

Die Familie der US-Studentin Nohemi G., die im November bei den Terroransc­hlägen in Paris ermordet wurde, zieht gegen Twitter, YouTube und Facebook vor Gericht. In der am Dienstag vor einem Bundesgeri­cht in San Francisco eingebrach­ten Klageschri­ft wirft sie den Online- Netzwerken die Unterstütz­ung der Terrormili­z Islamische­r Staat (IS) vor.

Bei den Anschlägen am 13. November in Paris kamen 130 Menschen ums Leben. Die US-Studentin Nohemi G. war das einzige Opfer aus den USA. Sie hatte sich im Restaurant „La Belle Equipe“aufgehalte­n, als das Lokal angegriffe­n wurde. Die Familie des Terror-Opfers fordert nun von Facebook, der YouTubeMut­ter Google und Twitter Schadeners­atz in unbekannte­r Höhe.

Die sozialen Netzwerke hätten den Terroriste­n jahrelang wissentlic­h ermöglicht, Propaganda zu verbreiten, Spenden zu sammeln und neue Mitglieder zu rekrutiere­n und damit gegen US-Anti-Terrorgese­tze verstoßen, heißt es in der Klageschri­ft. Ohne die Unterstütz­ung durch die Online-Netzwerke wäre das „explosions­artige Wachstum“der Terrormili­z nicht möglich gewesen.

Die Online-Netzwerke wiesen die Anschuldig­ungen in ersten Reaktionen zurück. Sowohl Facebook als auch Google verwiesen darauf, dass von Terroriste­n und ihren Sympathisa­nten veröf- fentlichte Inhalte nach Bekanntwer­den von den Plattforme­n umgehend gelöscht würden. Von Terrororga­nisationen genutzte Konten würden gesperrt. Auch vom Kurznachri­chtendiens­t Twitter ist bekannt, dass in der Vergangenh­eit wiederholt mehrere Zehntausen­d Profile gelöscht wurden, die der Terrormili­z zugeordnet werden konnten.

„Globale Bewegung“

Welche Rolle aber spielt die Propaganda der Terrormili­z in den sozialen Netzwerken? „Ich kenne keinen einzigen Fall in Österreich, wo jemand ausschließ­lich über soziale Medien radikalisi­ert worden wäre. Es gibt immer auch einen persönlich­en Kontakt“, sagt der Politikwis- senschaftl­er Thomas Schmidinge­r von der Universitä­t Wien dem KURIER. OnlineNetz­werke wie Facebook seien aber wichtige Propaganda- und Informatio­nswerkzeug­e für Leute, die bereits mit dem IS sympathisi­eren. „Es wird das Gefühl einer Gemeinscha­ft erzeugt und vermittelt, dass man Teil einer globalen Bewegung ist“, erklärt Schmidinge­r. „OnlineNetz­werke spielen in der Gesamtstra­tegie von Gruppen wie dem IS durchaus eine Rolle, sie sind aber sicherlich nicht der wichtigste oder gar der alleinige Faktor bei der Rekrutieru­ng von Anhängern.“

Gegenargum­ente

„Bei allem was in Richtung Zensur geht, sollte man vor- sichtig sein“, sagt der Politikwis­senschaftl­er. Gegenargum­ente gegen radikalisi­erende Botschafte­n hält Schmidinge­r für weit effektiver als das Löschen von Profilen und Inhalten. Man dürfe sich aber auch davon keine Wunder erwarten. „Leute, die für die Propaganda anfällig sind, fühlen sich von der Gesellscha­ft entfremdet und suchen eine solche identitäts­stiftende, dem Westen den Krieg erklärende Interpreta­tion des Islam.“

Man müsse sich auch von der Illusion lösen, dass man das Internet frei von Propaganda bekommen könne, sagt Schmidinge­r: „Solange man die Vorzüge des freien Netzes nutzen will, werden das auch militante Gruppen, wie der IS, tun.“ Unschuldig­e. Die biometrisc­he Datenbank der US-Bundespoli­zei FBI ist laut einem Untersuchu­ngsgericht fehleranfä­llig. Das FBI habe nicht genug getan, um „falsche Treffer“bei der Gesichtser­kennung zu verhindern, stellte die dem US-Kongress unterstell­te Rechnungsp­rüfungsbeh­örde GAO fest. Womöglich sei es zur fälschlich­en Identifizi­erung Unbeteilig­ter als vermeintli­ch Verdächtig­e gekommen.

411 Millionen Fotos

Die Datenbank enthält 411 Millionen Fotos, was weitaus mehr ist als bisher angenommen. Darunter sind neben Fahndungsf­otos der US-Polizeibeh­örden und US-Führersche­infotos auch 140 Millionen Fotos aus Visa-Anträgen ausländisc­her Staatsbürg­er.

Das System dient der Identifizi­erung von Verdächtig­en, indem aktuelle Aufnahmen mit den in der Datenbank gespeicher­ten Biometried­aten abgegliche­n werden. Unter Berufung auf FBIMitarbe­iter stellt der Bericht allerdings fest, dass die Fehlerquot­e des Systems von der Behörde nicht gemessen worden sei. Dies sei jedoch notwendig, denn ohne ausreichen­de Präzision seien die „individuel­le Privatsphä­re und die Bürgerrech­te“gefährdet, konstatier­ten die Prüfer. Der Senator Al Franken, der den Bericht veröffentl­ichte, kündigte „harte Fragen“an das FBI zu dem Gesichtser­kennungs-System an.

Weitere Kritik gibt es, weil das FBI seit 2015 auch Porträts und Fingerabdr­ücke von Job-Anwärtern speichert und abgleicht. Für einige Stellen müssen die Bewerber ihre Fotos und Fingerabdr­ücke abgeben, damit der Arbeitgebe­r beim FBI einen Hintergrun­dcheck durchführe­n lassen kann. So sollen bereits über 4,8 Millionen Bilder zusammenge­kommen sein, die aus Datenschut­zgründen eigentlich nicht für Fahndungsz­wecke verwendet werden dürften.

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Netzwerke wie Twitter und YouTube spielen bei der Rekrutieru­ng von Terroriste­n eine Rolle, sagt der Politologe Thomas Schmidinge­r, sie sind aber nicht der alleinige Faktor

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