Vergewaltigung: In Österreich ist ein Nein ein Nein
An der Elite-Universität Stanford vergewaltigt ein Student eine bewusstlose Frau undwird lediglich zu sechs Monaten Haft verurteilt. Das deutsche „It-Girl“Gina-Lisa Lohfink zeigt zwei Männer wegen Vergewaltigung an und wird der Falschaussage bezichtigt – obwohl auf einer Videoaufnahme zu hören ist, wie sie sich gegen den Sex wehrt (siehe re.).
Diese beiden Fälle sexualisierter Gewalt beschäftigen seit Wochen die Medien. Dochsie sind keine Einzelfälle: Laut der Europäischen Agentur für Grundrechte erlebt in der EU jede dritte Frau sexualisierte und/oder körperliche Gewalt. Romeo Bissuti, Gesundheitspsychologe und Obmann der White Ribbon Kampagne Österreich (www.whiteribbon.at), erklärt im Interview, welche gesellschaftlichen Rahmenbedingungen Gewalt gegen Frauen begünstigen und welche Rolle den Medien in puncto Aufklärungsarbeit zukommt. KURIER: Die White Ribbon Kampagne hat es sich zum Ziel gemacht, Männergewalt in Beziehungen zu beenden. Welchen Ratschlag geben Sie Männern? Romeo Bissuti: Dass manFrauen in einemguten Momentfragt, was für sie Belästigung ist und wo sie das schon einmal erlebt haben. Man muss das mit viel Fingerspitzengefühl machen, denn man weiß nie, ob eine Frau nicht schon viel Schlimmeres erlebt hat. Wenn ich in Seminaren die Frage stelle, welche Frau schon einmal angegrapscht oder blöd angemacht wurde, gibt es keine, die das nicht kennt. In Berichten über sexuelle Gewalt gegen Frauen taucht immer wieder der Begriff „Rape Culture“, wörtlich übersetzt „Vergewaltigungskultur“, auf. Wie definieren Sie diesen Begriff?
Der Begriff ist aus dem US-amerikanischen Feminismus hervorgegangen. Er versucht zu beschreiben, dass Gewalt, aber auch Vergewaltigungen und Belästigungen von Frauen nicht nur Taten von einzelnen Personen sind, die verrückt oder psychisch krank sind, sondern gesellschaftliche Bedingungen existieren, die das wahrscheinlicher und möglich machen. Wo zeigen sich diese Bedingungen in unserer Gesellschaft?
Sicher in der Ungleichstellung zwischen Männern und Frauen, aber auch in dem Unwissen von Männern darüber, was es heißt, Opfer von sexueller Gewalt zu werden. Darum werden die Vorfälle oft bagatellisiert. Vielen Männern ist nicht klar, dass sie in bestimmten Dingen privilegiert sind. Etwa darin, dass so ziemlich alles mit nackter Frauenhaut beworben wird. Damit wird die Verfügbarkeit des weiblichen Körpers für den Mann repräsentiert und ein Klima geschaffen, das Männer dazu einlädt, Grenzverletzungen zu begehen. Wie kann das Bewusstsein für solche Grenzverletzungen gestärkt werden?
Medien kommt eine wichtige Rolle dabei zu, zu sensibilisieren und aufzuzeigen, wo eine Grenzverletzung beginnt. Mit der Aufgabe, Frauen nicht als Opfer zu stilisieren. Medien geraten jedoch in eine Glaubwürdigkeitsfalle, wenn sie einerseits über Sexismus berichten und andererseits sexistische Werbesujets zeigen. Ein aktuelles Beispiel ist die Kampagne des Wettanbieters Bet- at-Home, bei der ein Spechtler eine nackte Frau beobachtet. Dies stellt eine Einladung und Normalisierung im öffentlichen Raum dafür dar, sich Frauen gegenüber voyeuristisch zu verhalten. Was läuft in der Berichterstattung über sexuelle Gewalt falsch?
Neben „Sex sells“gilt auch das Credo „Skandalisierung sells“. Ich würde mir wünschen, dass Medien über alle Formen von sexueller Gewalt gegen Frauen berichten und nicht nur über jene Tätergruppe, die man ohnehin diffamieren möchte. Dass alle Vergewaltigungsfälle in der Öffentlichkeit zum Thema werden, nicht nur zu Silvester, sondern auch bei anderen großen Festivitäten wie dem Oktober- oder Donauinselfest. Außerdem sollte klargemacht werden, dass die meisten Justiz. Im Fall Gina-Lisa Lohfink entschied die deutsche Justiz, dass es keine Vergewaltigung war. Das ItGirl soll zudem 24.000 Euro Strafe zahlen, weil sie die Männer fälschlicherweise einer Straftat bezichtigt habe. In dem Video, das die beiden Männer von der Tat aufgenommen und im Jahr 2012 ins Netz gestellt haben, sieht und hört man Lohfink einige Male benebelt „Nein“und „Hör auf“sagen. Ob K.-o.-Tropfen im Spiel waren, ist bei der Untersuchung kaum noch nachweisbar. In Deutschland regt der Fall dazu an, das Sexualstrafrecht zu erneuern. In Österreich ist das bereits geschehen.
Nach derzeitiger Rechtslage in Deutschland müssen sich Frauen erkennbar wehren. Ein bloßes „Nein“reicht nicht aus. Der Mann muss die Frau schlagen oder massiv bedrohen, dann gilt die Bezichtigung der Vergewaltigung.
Seit heuer neu ist in Österreich, dass sich jeder straf bar macht, der sexuelle Handlungen gegen den Willen des anderen vornimmt – auch ohne Gewalt. Helmut Fuchs vom Strafrechtsinstitut der Uni Wien erklärt: „Ein Nein ist bei uns ein Nein.“Wenn Betäubungsmittel im Spiel sind, ist das in Deutschland wie in Österreich als Vergewaltigung straf bar.