„Die Täter sind erschreckend normal“
Zwei aktuelle Fälle beschäftigen Gerichte und Medien. Ein Psychologe erklärt, wie gesellschaftliche Rahmenbedingungen zu einer „Vergewaltigungskultur“führen.
Übergriffe nicht angezeigt werden, weil sie von Personen aus dem Bekanntenkreis verübt wurden. In den Medien werden Vergewaltiger oft als „Sextäter“beschrieben. Ist diese Bezeichnung zutreffend?
Der Punkt ist, dass es sich bei den Tätern in der Regel um ganz normale Männer handelt, die eine Gelegenheit ausnutzen und denken, dass sie schon nicht erwischt werden. Mit der Bezeichnung „Sextäter“wird eine Andersartigkeit hergestellt, obwohl es sich um eine erschreckende Normalität handelt. Der Täter wird als triebgesteuertes Individuum dargestellt, doch eigentlich geht es um Machtverhältnisse. Im Buch „Bieder, brutal“des Soziologen Alberto Godenzi erzählten 30 Männer, warum sie Frauen vergewaltigt haben. Diese Männer sind nicht außergewöhnlich, sondern hatten das Gefühl, sich ihr Recht zu nehmen, zum Beispiel bei der Ehefrau oder mit dem Argument, Frauen hätten den Übergriff durch ihre Kleidung herausgefordert. Ich glaube nicht, dass sich daran etwas radikal verändert hat. Das zeigt sich z. B. dann, wenn der Polizeipräsident Frauen rät, sich nachts nicht alleine draußen aufzuhalten.
Das ist leider richtig. Man würde sich bei Entscheidungsträgern mehr Genderkompetenz wünschen. Man kann oft damit rechnen, dass Frauen in politischen Ämtern hier sensibilisiert sind. Es gibt aber auch sehr viele Männer, die sich engagieren und klar solidarisch zeigen.