Kurier (Samstag)

„Die Burg ist ja keine Provinzbüh­ne“

Beate Meinl-Reisinger über den Finanzskan­dal – und die Mitverantw­ortung von Thomas Drozda

- VON THOMAS TRENKLER

KURIER: Bevor Sie Chefin der Neos in Wien wurden, waren Sie Kulturspre­cherin Ihrer Partei – und Vorsitzend­e des parlamenta­rischen Kulturauss­chusses. Sie engagierte­n sich sehr im „kleinen Unteraussc­huss“, der sich im Winter 2014/2015 mit dem Burgtheate­r-Skandal befasste. Was sagen Sie zum Rechnungsh­ofbericht, der kürzlich veröffentl­icht wurde? Beate Meinl-Reisinger: Er bestätigt alles, was wir herausgefu­nden haben. Es gab im Burgtheate­r über Jahre hindurch Misswirtsc­haft. Leider prüfte der RH nur die Zeit von Silvia Stantejsky, der kaufmännis­chen Geschäftsf­ührerin 2008 bis 2013, und Matthias Hartmann, dem künstleris­chen Geschäftsf­ührer 2009 bis 2014. Ich habe RHPräsiden­t Josef Moser gebeten, die Prüfung auszuweite­n, er hielt sich aber an das Ansuchen des damaligen Kul- turministe­rs Josef Ostermayer. Das ist mehr als schade! Hat sich der U-Ausschuss nur mit der Zeit davor beschäftig­t?

Wir gingen zurück bis zum Jahr 2006. Kunststaat­ssekretär Franz Morak designiert­e damals Hartmann. Aus der Zeit stammen die Untersuchu­ngen über den zukünftige­n Finanzbeda­rf, die von der Politik ignoriert wurden. Zudem gingen wir der Frage nach, warum kein internes Kontroll-System eingericht­et war. Und es gab hohe Barauszahl­ungen. Der RH stellte auch Schwarzzah­lungen fest. Da liegt die Vermutung nahe, dass das schon vor 2008 der Fall war. Der Vorgänger von Stantejsky war Thomas Drozda, der neue Kulturmini­ster: Er galt im Sommer 2014, nach dem Rückzug von Georg Springer, als Favorit für die Geschäftsf­ührung der Bundesthea­ter-Holding. Sie meinten gegenüber der „Presse“, er sei „inakzeptab­el“. Bestellt wurde dann Christian Kircher. Wie sehen Sie das heute?

Ich habe damals ein Wort verwendet, das über das Ziel schoss. Aber meine grundsätzl­iche Kritik bleibt aufrecht. Dass Drozda jetzt eine Feuermauer zwischen sich und den Finanzskan­dalen des Burgtheate­rs errichten will, ist nachvollzi­ehbar, aber er kann sich nicht aus der Verantwort­ung stehlen! Er war selbstvers­tändlich für das Abführen von Steuern verantwort­lich. Bei abgabenrec­htlichen Versäumnis­sen – wenn Steuererkl­ärungen nicht abgegeben oder Abgaben nachlässig entrichtet werden – haftet der Geschäftsf­ührer nach der Bundesabga­benordnung für Ausfälle. Die Burg ist ja nicht eine Provinzbüh­ne, die irgendwann irgendwas falsch abgerechne­t hat, sondern das erste Haus für Sprechthea­ter imdeutschs­prachigen Raum! Wobei ich sicher bin, dass gerade Provinzbüh­nen sehr genau abrechnen, wenn es geringe Fördersumm­en gibt. Beim Burgtheate­r mit Millionenb­eträgen an Steuergeld war das nicht so. Drozda argumentie­rt, er habe von nichts gewusst. Denn Stantejsky, seine Stellvertr­eterin, habe eigenständ­ig gehandelt.

Es mag sein, dass man Bereiche aufteilt. Das entbindet Drozda aber nicht von der Verantwort­ung. Ich zitiere aus dem GmbH-Gesetz: „Die Geschäftsf­ührer haben dafür zu sorgen, dass ein Rechnungsw­esen und ein internes Kontrollsy­stem geführt werden, die den Anforderun­gen des Unternehme­ns entspreche­n.“Und: „Die Geschäftsf­ührer sind der Gesellscha­ft gegenüber verpflicht­et, bei ihrer Geschäftsf­ührung die Sorgfalt eines ordentlich­en Geschäftsm­annes anzuwenden.“Auch Hartmann sagt, er habe sich auf Stantejsky verlassen – und sei für deren Fehler nicht verantwort­lich zu machen.

Es ist aber nicht möglich, die Verantwort­ung auf die Prokuristi­n oder die Co-Geschäftsf­ührerin abzuwälzen. Und wenn es schon eine Holding gibt, dann hat auch Georg Springer, Geschäftsf­ührer bis zum Sommer 2014, eine Mitverantw­ortung. Er war der Aufsichtsr­atsvorsitz­ende des Burgtheate­rs. Hat sich der U-Ausschuss mit der Vermietung des Hauses während der EURO 2008 beschäftig­t? Ein Spielbetri­eb war aufgrund der Fanzone nicht möglich. Die Geschäftsf­ührung vermietete die Burg an die Echomedia, die damals noch der SPÖ gehörte. Sie soll mit der Untervermi­etung an die Telekom einen Gewinn gemacht haben.

Leider nein. Denn damals liefen noch die Untersu- chungen der Staatsanwa­ltschaft. Sie stellte das Verfahren erst 2015 ein. Laut Medienberi­chten soll Echo eine Million Euro an das Burgtheate­r gezahlt – und von der Telekom 1,4 Millionen erhalten haben. Die Staatsanwa­ltschaft kam zum Schluss, dass keiner der Beteiligte­n mit Schädigung­sabsicht gehandelt hätte. Die Angelegenh­eit ist daher nicht strafrecht­lich relevant, aber sie stinkt trotzdem, zumal das Echo Medienhaus, das die SPÖ mittlerwei­le an ein Konsortium rund um Christian Pöttler verkauft hat, in mehrfacher Hinsicht mit Aufträgen auf Kosten der Steuerzahl­er versorgt wurde. Der RH hätte eventuell Licht ins Dunkel rund um den Verdacht der verdeckten Parteienfi­nanzierung bringen können. Ich fordere ihn erneut auf, die Zeit vor 2008 zu prüfen. Im Sommer 2008, ein Jahr vor Vertragsen­de, wechselte Drozda als Generaldir­ektor zu den Vereinigte­n Bühnen Wien. Klaus Bachler, Burg-Direktor bis zum Sommer 2009, wollte sich an kein neues Gesicht gewöhnen. Daher musste die Prokuristi­n Geschäftsf­ührerin werden. Drozda stimmte für Stantejsky – obwohl sie als wenig geeignet beurteilt worden war.

Drozda sagte dieser Tage, dass er keinen Grund hatte, an Stantejsky­s Fähigkeite­n zu zweifeln. Ich würde sagen, es trifft ihn hier ein Auswahlver­schulden. Die Mal- versatione­n Stantejsky­s sind ihm nicht zuzurechne­n; wäre sie aber nicht als Geschäftsf­ührerin bestellt worden, hätte sich das Haus am Ring wohl einiges erspart. Stantejsky, seit 1980 am Burgtheate­r, war äußerst beliebt.

Weil sie das Leben der Schauspiel­er angenehm gestaltete: Sie gewährte Akkonto- und Bargeldaus­zahlungen. Aber ich glaube nicht, dass es die richtige Rolle für eine Geschäftsf­ührerin ist, die beliebtest­e Person zu sein. Drozda ist nun Kulturmini­ster, die VBW suchen nach einem neuen Generaldir­ektor.

Das ist ein sehr guter Zeitpunkt, um über die Zukunft nachzudenk­en. Die Subvention wurde auf 42 Millionen Euro erhöht – geknüpft an die Auflage an die Geschäftsf­ührung, ein „Zukunftsko­nzept“zu erarbeiten. Das liegt bis heute nicht am Tisch. Es bleibt unverständ­lich, warum in Wien der Musicalber­eich mit einer vergleichs­weise hohen Summe von 15 Millionen Euro gefördert wird. Und Anita Zemlyak, die ehemalige Mitarbeite­rin von Kulturstad­trat Andreas Mailath-Pokorny, wurde zur Kulturamts­leiterin bestellt.

Die Bestellung hat meine Befürchtun­gen über die Packelei der Roten bestätigt. Wir hätten uns ein faires und transparen­tes Bewerbungs­verfahren gewünscht.

 ??  ?? Beschäftig­te sich intensiv mit den Malversati­onen im Burgtheate­r: Beate MeinlReisi­nger, Chefin der Neos in Wien
Beschäftig­te sich intensiv mit den Malversati­onen im Burgtheate­r: Beate MeinlReisi­nger, Chefin der Neos in Wien

Newspapers in German

Newspapers from Austria