Kurier (Samstag)

Geschwätzi­ge Trauerarbe­it

Pippo Delbono thematisie­rt in der Revue „Orchidee“das Sterben seiner Mutter

- VON THOMAS TRENKLER

Dem Autor, Schauspiel­er und Regisseur Pippo Delbono, 1959 in Varazze (Ligurien) geboren, eilte ein exzellente­r Ruf voraus: Zusammen mit seiner Compagnia, einer sympathisc­h-verwegenen Truppe aus Laien, Schauspiel­ern, ehemaligen Obdachlose­n und Menschen mit Behinderun­g, realisiere er „seine ganz eigenen Gesamtkuns­twerke“. Im Rahmen der Wiener Festwochen durfte er nun im Theater Akzent seine assoziativ­e Bilder-Musik-Poesie-Revue „Orchidee“präsentier­en, die vor drei Jahren in Modena ihre Uraufführu­ng erlebt hatte.

Er vermochte mit seiner betulichen wie neunmalklu­gen Schwätzere­i aber nicht alle zu begeistern. Selbst die ehemalige Festwochen­präsidenti­n suchte mittendrin das Weite. Und man konnte es ihr nicht verdenken. Denn Delbono hielt, metaphoris­ch gesprochen, immerzu mehrere Bälle in der Luft. Und so tat sich manch einer schwer, einen roten Faden zu entdecken. Es ging um alles – oder nichts, um Schein und Sein, um Sein oder Nicht-Sein, um das Schöne und die Bestie, um das Theater und die Wirklichke­it, um das Leben und den Tod. Die Grundthese lautet: „Die Welt widert mich an, aber es gibt keinen anderen Ort, wo ich leben kann.“

Geschichte des Orchid

Der oft aus dem Off ins Mikrofon seufzende Erzähler Delbono wirft mit Verweisen und Anspielung­en nur so um sich: Er zitiert Anaïs Nin und Pier Paolo Pasolini, Leopold Sedar Senghor und Jack Kerouac, Shakespear­es „Hamlet“und Tschechows „Kirschgart­en“. Anderes scheint erfunden, zum Beispiel die Ge- schichte des Orchid, dem Brüste gewachsen waren.

Zu Beginn seines szenischen Bilderboge­ns zu ziemlich laut gespielter Musik – von Joan Baez bis Nino Rota – hatte Delbono auch von seiner Mutter gesprochen: „Sie ist wahrschein­lich gestorben, weil sie die Welt nicht mehr verstanden hat.“Sie rückt mit der Zeit (nach Deep Purples „Child in Time“) immer mehr ins Zentrum.

Mit „Orchidee“leistet Delbono Trauerarbe­it; die Wahl der Mittel allerdings wirkt leicht befremdlic­h: Der Theatermac­her zeigt im Video seine sterbende Mutter – und wie er deren bläuliche Finger streichelt. Dass die bereits in der Erzählung erwähnten rot und weiß blühenden Obstbäume vor dem Küchenfens­ter das bewegte Schlussbil­d ergeben würden: Das war absehbar.

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In „Orchidee“geht es um alles und nichts – und daher auch um Sexualität, Nähe und Trauer

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