Geschwätzige Trauerarbeit
Pippo Delbono thematisiert in der Revue „Orchidee“das Sterben seiner Mutter
Dem Autor, Schauspieler und Regisseur Pippo Delbono, 1959 in Varazze (Ligurien) geboren, eilte ein exzellenter Ruf voraus: Zusammen mit seiner Compagnia, einer sympathisch-verwegenen Truppe aus Laien, Schauspielern, ehemaligen Obdachlosen und Menschen mit Behinderung, realisiere er „seine ganz eigenen Gesamtkunstwerke“. Im Rahmen der Wiener Festwochen durfte er nun im Theater Akzent seine assoziative Bilder-Musik-Poesie-Revue „Orchidee“präsentieren, die vor drei Jahren in Modena ihre Uraufführung erlebt hatte.
Er vermochte mit seiner betulichen wie neunmalklugen Schwätzerei aber nicht alle zu begeistern. Selbst die ehemalige Festwochenpräsidentin suchte mittendrin das Weite. Und man konnte es ihr nicht verdenken. Denn Delbono hielt, metaphorisch gesprochen, immerzu mehrere Bälle in der Luft. Und so tat sich manch einer schwer, einen roten Faden zu entdecken. Es ging um alles – oder nichts, um Schein und Sein, um Sein oder Nicht-Sein, um das Schöne und die Bestie, um das Theater und die Wirklichkeit, um das Leben und den Tod. Die Grundthese lautet: „Die Welt widert mich an, aber es gibt keinen anderen Ort, wo ich leben kann.“
Geschichte des Orchid
Der oft aus dem Off ins Mikrofon seufzende Erzähler Delbono wirft mit Verweisen und Anspielungen nur so um sich: Er zitiert Anaïs Nin und Pier Paolo Pasolini, Leopold Sedar Senghor und Jack Kerouac, Shakespeares „Hamlet“und Tschechows „Kirschgarten“. Anderes scheint erfunden, zum Beispiel die Ge- schichte des Orchid, dem Brüste gewachsen waren.
Zu Beginn seines szenischen Bilderbogens zu ziemlich laut gespielter Musik – von Joan Baez bis Nino Rota – hatte Delbono auch von seiner Mutter gesprochen: „Sie ist wahrscheinlich gestorben, weil sie die Welt nicht mehr verstanden hat.“Sie rückt mit der Zeit (nach Deep Purples „Child in Time“) immer mehr ins Zentrum.
Mit „Orchidee“leistet Delbono Trauerarbeit; die Wahl der Mittel allerdings wirkt leicht befremdlich: Der Theatermacher zeigt im Video seine sterbende Mutter – und wie er deren bläuliche Finger streichelt. Dass die bereits in der Erzählung erwähnten rot und weiß blühenden Obstbäume vor dem Küchenfenster das bewegte Schlussbild ergeben würden: Das war absehbar.