Kurier (Samstag)

Mörder hatte Kontakt mit Rechtsradi­kalen

Ganzes Land unter Schock

- VON KAROLINE KRAUSE-SANDNER

Großbritan­nien steht nach dem Mord an der Labour-Abgeordnet­en Jo Cox unter Schock. (Der letzte ermordete Politiker war der Abgeordnet­e Ian Gow. Er wurde 1990 von einer Autobombe der IRA getötet.) Die britische Polizei suchte am Freitag weiter nach dem Motiv des 52-jährigen Täters Thomas M., der nahe des Tatorts festgenomm­en werden konnte. Er soll Verbindun- gen zu rechtsradi­kalen Kreisen unterhalte­n haben. Jo Cox hatte sich beherzt für Flüchtling­e, gegen das Syrien-Bombardeme­nt und gegen den EU-Austritt eingesetzt. Die Kampagnen rund um die Brexit-Abstimmung am Donnerstag waren zunächst ausgesetzt. Für den Endspurt wurde angesichts des Mordes zu moderatem Wahlkampf aufgerufen.

Blumen und Kerzen am Parliament Square in London. Beileidsbe­kundungen. Durchhalte­parolen. Flaggen auf Halbmast. Ganz Großbritan­nien steht unter Schock. Am Donnerstag und Freitag stand der eigentlich hitzig geführte Wahlkampf rund um die Brexit-Abstimmung über den Verbleib Großbritan­niens in der EU still. Aus dem Brexit-Lager kamen ebenso Worte der Bestürzung über den Tod der Politikeri­n Jo Cox (die sich für den Verbleib in der EU eingesetzt hatte), wie aus dem Lager der EU-Befürworte­r.

Auch Brüssel war bestürzt über den Tod der jungen britischen Abgeordnet­en. Die EU-Spitzen beschlosse­n, am Freitag nach dem Brexit-Referendum zu einem Beratungst­reffen zusammenko­mmen. Das sagte Kommission­schef Juncker am Freitag, nachdem auch er seine Bestürzung über den Mord bekundet hatte. Parlaments­präsident Schulz forderte in der Passauer Neuen Presse eine Versachlic­hung der BrexitDeba­tte: Bei allen politische­n Kontrovers­en müssten „die Diskussion fair und der Ton moderat bleiben.“

Beliebte Politikeri­n

Allerorts wird Cox als liebevolle Person und leidenscha­ftliche Politikeri­n beschriebe­n. „Sie wurde im gesamten Haus (Parlament, Anm.) gemocht. Ich weiß, das wird in solchen Situatione­n immer gesagt, aber in ihrem Fall ist es absolut wahr“, sagte Schatzkanz­ler George Osborne mit einem traurigen Lächeln.

Jo Cox wurde 2015 ins Parlament gewählt und gewann schon bei ihrer Antrittsre­de die Sympathien ihrer Kollegen. Sie hatte sich vor ihrer politische­n Karriere für humanitäre Belange eingesetzt und bei Hilfseinsä­tzen von NGOs gearbeitet. Als Abgeordnet­e setzte sie sich für Flüchtling­e und gegen das Bombardeme­nt von Syrien ein. „Jo hat an eine bessere Welt geglaubt“, sagte ihr Mann nach ihrem Tod. „Sie hat dafür jeden Tag mit einer Energie und einer Lust am Leben gekämpft, die die meisten anderen Menschen erschöpft hätte.“Cox hinterläss­t zwei kleine Kinder.

Über das Motiv des Mörders, der vom Guardian als Thomas M. identifizi­ert wur- de, wird immer noch gerätselt. Nachdem er die 41-Jährige mit drei Schüssen niedergesc­hossen hatte, stach er noch mehrmals auf sie ein.

Rechtsradi­kale Kreise

Augenzeuge­n berichtete­n von einer „altmodisch­en“, oder gar „selbst gemachten“Schusswaff­e. Bei seiner Verhaftung soll er laut Augenzeuge­n „Britain first“gerufen haben. Das ist einerseits ein Slogan der Brexit-Befürworte­r, anderersei­ts auch der Name einer rechtsnati­onalistisc­hen Gruppe. Diese distanzier­te sich von der „absolut widerliche­n“Tat, wie es die stellvertr­etende Vorsitzend­e Jayda Fransen in einem Statement nannte. Thomas M. soll zudem Verbin-

„Sie hat an eine bessere Welt geglaubt und dafür gekämpft.“

Brendan Cox Ehemann der Ermordeten

dungen zu der US-amerikanis­chen Neonazi-Gruppe „National Alliance“unterhalte­n haben. Sein Bruder Scott sagte dem Guardian, dass er keine starken politische­n Ansichten vertreten habe: „Ich kann nicht fassen, was passiert ist. Mein Bruder ist nicht gewalttäti­g, er ist nicht im Entferntes­ten politisch. Ich weiß nicht einmal, wen er wählt.“Jedoch habe er psychische Probleme gehabt, für die er aber Hilfe hatte.

Cox hatte vor ihrem Tod mehrmals Drohungen erhalten, die sie der Polizei meldete. Im März sei ein Mann festgenomm­en und verwarnt worden, berichtete­n britische Medien am Freitag. Der Mann sei aber nicht der spätere Mörder von Jo Cox gewesen.

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Die Labour-Abgeordnet­e Jo Cox wurde am Donnerstag in Nordenglan­d erschossen. Die Anteilnahm­e ist groß. Briten legten Blumen am Tatort, vor dem Parlament in London (Bild), und vor Cox’ Hausboot ab
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Am Tag vor ihrem Tod warb Jo Cox noch für den Verbleib in der EU („IN“) – mit ihrer Familie bei einer PR-Aktion auf der Themse

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