Mörder hatte Kontakt mit Rechtsradikalen
Ganzes Land unter Schock
Großbritannien steht nach dem Mord an der Labour-Abgeordneten Jo Cox unter Schock. (Der letzte ermordete Politiker war der Abgeordnete Ian Gow. Er wurde 1990 von einer Autobombe der IRA getötet.) Die britische Polizei suchte am Freitag weiter nach dem Motiv des 52-jährigen Täters Thomas M., der nahe des Tatorts festgenommen werden konnte. Er soll Verbindun- gen zu rechtsradikalen Kreisen unterhalten haben. Jo Cox hatte sich beherzt für Flüchtlinge, gegen das Syrien-Bombardement und gegen den EU-Austritt eingesetzt. Die Kampagnen rund um die Brexit-Abstimmung am Donnerstag waren zunächst ausgesetzt. Für den Endspurt wurde angesichts des Mordes zu moderatem Wahlkampf aufgerufen.
Blumen und Kerzen am Parliament Square in London. Beileidsbekundungen. Durchhalteparolen. Flaggen auf Halbmast. Ganz Großbritannien steht unter Schock. Am Donnerstag und Freitag stand der eigentlich hitzig geführte Wahlkampf rund um die Brexit-Abstimmung über den Verbleib Großbritanniens in der EU still. Aus dem Brexit-Lager kamen ebenso Worte der Bestürzung über den Tod der Politikerin Jo Cox (die sich für den Verbleib in der EU eingesetzt hatte), wie aus dem Lager der EU-Befürworter.
Auch Brüssel war bestürzt über den Tod der jungen britischen Abgeordneten. Die EU-Spitzen beschlossen, am Freitag nach dem Brexit-Referendum zu einem Beratungstreffen zusammenkommen. Das sagte Kommissionschef Juncker am Freitag, nachdem auch er seine Bestürzung über den Mord bekundet hatte. Parlamentspräsident Schulz forderte in der Passauer Neuen Presse eine Versachlichung der BrexitDebatte: Bei allen politischen Kontroversen müssten „die Diskussion fair und der Ton moderat bleiben.“
Beliebte Politikerin
Allerorts wird Cox als liebevolle Person und leidenschaftliche Politikerin beschrieben. „Sie wurde im gesamten Haus (Parlament, Anm.) gemocht. Ich weiß, das wird in solchen Situationen immer gesagt, aber in ihrem Fall ist es absolut wahr“, sagte Schatzkanzler George Osborne mit einem traurigen Lächeln.
Jo Cox wurde 2015 ins Parlament gewählt und gewann schon bei ihrer Antrittsrede die Sympathien ihrer Kollegen. Sie hatte sich vor ihrer politischen Karriere für humanitäre Belange eingesetzt und bei Hilfseinsätzen von NGOs gearbeitet. Als Abgeordnete setzte sie sich für Flüchtlinge und gegen das Bombardement von Syrien ein. „Jo hat an eine bessere Welt geglaubt“, sagte ihr Mann nach ihrem Tod. „Sie hat dafür jeden Tag mit einer Energie und einer Lust am Leben gekämpft, die die meisten anderen Menschen erschöpft hätte.“Cox hinterlässt zwei kleine Kinder.
Über das Motiv des Mörders, der vom Guardian als Thomas M. identifiziert wur- de, wird immer noch gerätselt. Nachdem er die 41-Jährige mit drei Schüssen niedergeschossen hatte, stach er noch mehrmals auf sie ein.
Rechtsradikale Kreise
Augenzeugen berichteten von einer „altmodischen“, oder gar „selbst gemachten“Schusswaffe. Bei seiner Verhaftung soll er laut Augenzeugen „Britain first“gerufen haben. Das ist einerseits ein Slogan der Brexit-Befürworter, andererseits auch der Name einer rechtsnationalistischen Gruppe. Diese distanzierte sich von der „absolut widerlichen“Tat, wie es die stellvertretende Vorsitzende Jayda Fransen in einem Statement nannte. Thomas M. soll zudem Verbin-
„Sie hat an eine bessere Welt geglaubt und dafür gekämpft.“
Brendan Cox Ehemann der Ermordeten
dungen zu der US-amerikanischen Neonazi-Gruppe „National Alliance“unterhalten haben. Sein Bruder Scott sagte dem Guardian, dass er keine starken politischen Ansichten vertreten habe: „Ich kann nicht fassen, was passiert ist. Mein Bruder ist nicht gewalttätig, er ist nicht im Entferntesten politisch. Ich weiß nicht einmal, wen er wählt.“Jedoch habe er psychische Probleme gehabt, für die er aber Hilfe hatte.
Cox hatte vor ihrem Tod mehrmals Drohungen erhalten, die sie der Polizei meldete. Im März sei ein Mann festgenommen und verwarnt worden, berichteten britische Medien am Freitag. Der Mann sei aber nicht der spätere Mörder von Jo Cox gewesen.