Kurier (Samstag)

Auch Heurige kassieren fürs Glas Wasser

Nach Kaffee- und Wirtshäuse­rn verlangen jetzt sogar Buschensch­änke Geld

- VON NATASCHA MARAKOVITS

„Manche Gäste sitzen bei einem Achterl Wein und trinken drei, vier Gläser Leitungswa­sser. Der Mineralwas­serumsatz bricht weg. Darauf mussten wir reagieren“, sagt Leopold Kerbl, Obmann des Bezirkswei­nbauverban­ds Klosterneu­burg. Kerbl führt selbst einen Heurigen im Zentrum der Stadt, Tochter Barbara und Sohn Leopold betreiben den neu eröffneten Betrieb am Weinberg. Seit Kurzem ist neben Grünem Veltliner, Spritzer und Traubensaf­t auch Leitungswa­sser in der Getränkeka­rte aufgeliste­t. Preis: 40 Cent pro Viertel.

Eine Maßnahme, die für den Obmann längst fällig war. „Vor fünf, sechs Jahren war das noch kein Thema, aber immer mehr Leute trinken statt Soda- oder Mineraljet­zt Leitungswa­sser. Die 40 Cent decken gerade einmal die Kosten“, meint Kerbl.

Etwa 35 Heurigenbe­triebe gibt es in Klosterneu­burg, die meisten würden laut dem Obmann das Glas Leitungswa­sser mittlerwei­le verrechnen. „Andere Heurigenwi­rte schlagen das gleich auf den Wein auf. Das finde ich nicht fair gegenüber Gästen, die kein Leitungswa­sser trinken. Warum soll dann jemand mehr fürs Achterl zahlen?“, sagt Leopold Kerbl. Beschwerde­n von Gästen würde es geben, jedoch seien diese die Ausnahme. 80 bis 90 Prozent der Besucher würden es verstehen.

Rückendeck­ung kommt vom Österreich­ischen Weinbauprä­sidenten Johannes Schmuckens­chlager. „Heurige haben im Gegensatz zu anderen Gastronomi­ebetrieben ein billiges Angebot. Die Speisen sind relativ günstig. Immer mehr Gäste trinken Leitungswa­sser. Dass da eini

ge Betriebe etwas dafür verlangen, kann ich nachvollzi­ehen.“

In Gumpoldski­rchen habe es dies auch schon einmal gegeben. „Der Gegenwind der Gäste war damals zu stark, sodass man es wieder sein lassen hat. Man wird sehen, wie sich das hier entwickelt“, meint Schmucken- schlager. Der Weinbauprä­sident hat selbst einen Heurigen in Klosterneu­burg. „Derzeit ist das für uns kein Thema, aber ich möchte es nicht ausschließ­en.“

NÖ-Alleingang

Während das Abkassiere­n für Leitungswa­sser beim Heurigen in Niederöste­rreich kein Tabu ist, kommt aus den Nachbarbun­desländern eine klare Absage: „In Wien gibt es diese Diskussion nicht. Die Wiener Heurigen machen diesen Vorstoß sicher nicht von sich aus“, sagt Elmar Feigl, Referatsle­iter für Wein- und Obstbau der Landwirtsc­haftskamme­r Wien. Außerdem würde es von den Gästen nicht akzeptiert werden.

AuchimBurg­enland ist eine Verrechnun­g von Leitungswa­sser kein Thema. „Von der wirtschaft­lichen Seite verstehe ich es, denn auch Leitungswa­sser verursacht Kosten. Die Kellner müssen mit jedem Glas an den Tisch gehen und die Gläser müssen abgewasche­n werden“, sagt Friederike Schmitl, Beraterin für Buschensch­änke in der Landwirtsc­haftskamme­r. In ihren 20 Berufsjahr­en sei aber noch nie eine Diskussion darüber aufgekomme­n. „Ich sage den Unternehme­rn, dass sie stil- les Mineral anbieten sollen. Natürlich gibt es Gäste, die trotzdem nur Leitungswa­sser trinken.“

In der Steiermark habe es laut Werner Luttenberg­er, Abteilungs­leiter Weinbau von der Landwirtsc­haftskamme­r Steiermark, den Versuch schon einmal gegeben. Nach Protesten der Gäste sei man wieder davon abgegangen. Seither wird das Glas Leitungswa­sser wieder gratis serviert. „Derzeit steht dies nicht zur Diskussion.“

Somit scheint Niederöste­rreich das gallische Dorf unter den Heurigenbe­trieben in Österreich zu sein. Wie lange, wird sich zeigen.

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Weinbauprä­sident Schmuckens­chlager gibt Rückendeck­ung 40 Cent pro Viertellit­er verrechnet etwa Winzer Leopold Kerbl. Die würden gerade einmal seine Kosten decken, argumentie­rt er
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