„Independence Day“
starke Mehrheiten für „Remain“. Die Arbeiterklasse der industrialisierten, traditionellen Labour-Reviere war dagegen der Empfehlung ihrer Stammpartei zum Trotz geschlossen ins „Brexit“-Lager gewandert. Der im Referendumswahlkampf schlapp agierende Labour-Chef Jeremy Corbyn erntete dafür bis zum Nachmittag bereits einen Misstrauensantrag seiner Parlamentsfraktion.
Während Zehntausende Entsetzte indes eine OnlinePetition für ein zweites Referendum und für den Verbleib in der EU unterzeichneten, bereiteten im Zentrum Londons 2000 Investment Banker von Morgan Stanley die Umsiedlung nach Frankfurt und Dublin vor. Die Loslösung Großbritanniens vom gemeinsamen Markt und den damit verbundenen Rechten zur Ausführung von Finanzdienstleistungen wird zwar noch Jahre dauern, aber die Reaktion am Währungsmarkt und an den Weltbörsen war jäh und brutal. Das Pfund landete gegenüber dem Dollar auf dem tiefsten Stand seit 1985. Mark Carney, Gouverneur der Bank of England, musste schon Stunden vor Öffnung der Börse beschwören, dass die britischen Banken ausreichend liquid sind.
„Drecksack“
Das war wohl mit ein Grund, warum Reden der Häuptlinge der Brexit-Brigade, Londons Ex-Bürgermeister Boris Johnson und Justizminister Michael Gove, so zurückhaltend ausfielen. Großbritannien, sagte Johnson, der vor seinem Haus von einer Menge ausgebuht und als „Drecksack“beschimpft wurde, sei heute um nichts weniger vereint und europäisch, und die Wählerentscheidung „das Gegenteil von Isolationismus“. Die Jugend sähe einer „sichereren und wohlhabenderen Zukunft“entgegen.
Sehr zur Verwunderung seiner Zuhörer in Brüssel meinte Johnson auch, dass es keinen Grund gäbe, Artikel 50 des EU-Vertrags in Kraft zu setzen, der die komplexe Abwicklung des Austritts regelt.