Kurier (Samstag)

Brits, come back – samt Neustart der EU

- MARTINA SALOMON

Das sei nicht der Anfang vom Ende der EU, beschwicht­igte Kommission­spräsident Juncker am Freitag. Ja, eh – es wäre allerdings schon ein guter Beginn, wenn es wenigstens das Ende seiner politische­n Laufbahn bedeuten würde. Denn der Brexit macht die Krise der EU-Spitze sichtbar. „Brüssel“wird selbst von einstigen Befürworte­rn als arrogantes Establishm­ent betrachtet, das sich von den Menschen entfernt hat. Juncker verkörpert dieses System besonders. Zwar hat er sich bei den Briten mit naseweisen Ratschläge­n eher zurückgeha­lten, nicht aber gegenüber dem weitaus schwächere­n Österreich.

Die EU als fernes Bürokratie­monster: Natürlich ist diese Einschätzu­ng ungerecht. Denn „die EU“ist die Summe ihrer Mitgliedsl­änder, deren politische Führer sich gerne an „Brüssel“abputzen, um daheim populistis­che Meter zu machen. Wenn aber nicht einmal Wien und Niederöste­rreich vernünftig­e gemeinsame Verkehrs- und Spitalslös­ungen zusammenbr­ingen, wie soll es dann in einer heterogene­n Staatengem­einschaft von (noch) 28 funktionie­ren?

Gescheiter­te Flüchtling­spolitik

Angesichts der Migrations­politik müsste man glauben, dass das Projekt einer geeinten und handlungsf­ähigen EU ohnehin längst tot ist. So gesehen hat ausgerechn­et die einstige Vorzeige-Europäerin Angela Merkel der EU einen Bärendiens­t erwiesen. An den Folgen ihrer unüberlegt­en Einladepol­itik werden gerade Länder wie Österreich noch lange zu kiefeln haben. Dublin, Schengen, selbst Maastricht funktionie­ren in Wahrheit nicht. Verträge werden gebrochen, Vereinbaru­ngen ignoriert. Die Griechenla­ndfrage? Seit Jahren ungelöst. Der Euroraum? Möglicherw­eise eine Fehlkonstr­uktion. Merkel selbst hat am Freitag gemeint, man müsse den Bürgern wieder näherbring­en, wie die EU dazu beitrage, ihr persönlich­es Leben zu verbessern.

Der weltweit größte Wirtschaft­sraum, auf dessen vereinten Arbeitsmar­kt man sich frei bewegen kann: Das war und ist eine großartige Idee. Aber wer nicht gerade einen internatio­nalen Job hat, spürt das nicht unmittelba­r, sondern ärgert sich über manches, für das er die EU verantwort­lich macht: steigende Kriminalit­ät, hohe Arbeitslos­igkeit, Regulierun­gswut, überforder­te Sozialsyst­eme.

Eines ist klar: Die EU wird jetzt noch „deutscher“– genau das, was ihre Gründer nach der Katastroph­e des Nazi-Reichs nicht wollten. Für Österreich ist die Fortsetzun­g der Sanktionen gegen Russland übrigens weitaus schlimmer als der Brexit. Und da ist es schon wieder, das Versagen der EU: Russland scheint eine Strategie zu haben, die Europäisch­e Union nicht, weil die Summe ihrer Teile keine Linie ergibt. Die EU ist in der schwersten Krise seit ihrer Gründung. Hoffen wir im eigenen Interesse, dass diese Krise als Chance für das Friedenspr­ojekt genützt wird. England gehört zu Europa. Europa sollte großzügige Brücken zur Insel bauen. Come back! eMail an: martina salomon

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Der Brexit ist eine schwere Niederlage für die EUFührung. Welche Konsequenz­en zieht sie eigentlich?
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