Kurier (Samstag)

Mehr als eine Wiese: Die Wissenscha­ft vom Rasen

Gutes Grün ist besonders viel wert. Das zeigt sich gerade bei dieser EM. Bianca Götz-Richter hat drei Stadien ausgestatt­et. Sie verrät, was guter Rasen braucht und weshalb es in Frankreich nicht nach Plan lief

- VON SUSANNE MAUTHNER-WEBER

Nicht ganz so gelaufen, wie erhofft. Dabei war die Qualität der Österreich­er hochgelobt. Die UEFA persönlich hatte sie überprüft und attestiert: „Der beste Europas!“

Nein, die Rede ist nicht von den heimischen Fußballern, sondern vom Rasen, den die Firma Richter für drei der zehn EM-Stadien – Marseille, Nizza und Lille – geliefert hat. Doch ausgerechn­et dort hielt das Grün den Tritten nicht stand. Es gab Kritik von den Turnierver­anstaltern am niederöste­rreichisch­en Rasen. Besonders in Marseille lief es nicht rund für die Österreich­er.

In Lille wurde der österreich­ische Rasen am Donnerstag abgetragen und durch ein neues Grün aus den Niederland­en ersetzt. „Schwierige Wetterbedi­ngungen hätten dem Rasen irrepa- rable Schäden zugefügt“, teilten die EURO-Organisato­ren mit. Auf dem niederländ­ischen Rasen treffen bereits am Sonntag Deutschlan­d und die Slowakei aufeinande­r.

Bianca Götz-Richter, JuniorChef­in von Richter Rasen aus Niederöste­rreich, ist alles andere als zufrieden: „Leider herrschen in zwei der drei Stadien ganz miese Bedingunge­n für Naturrasen. Fakt ist, dass wir reiner RasenLiefe­rant waren. Und genau da liegt das Problem. Wir durften weder den Untergrund verbessern, noch haben wir unseren Rasen verlegt, noch gepflegt. Sie können sich sicher vorstellen, was passiert, wenn man ein Naturprodu­kt zwei Wochen lang falsch behandelt.“In Marseille besteht der Untergrund aus einem Gemisch mit Plastikfas­ern. Das seien keine guten Voraussetz­ungen für die Verwurzelu­ng von Naturrasen. In Lille ist die Rasentrags­chicht ein schwarzer, lehmiger und schwach durchlässi­ger Oberboden. Das lasse Wasser nur langsam abfließen, der tagelange Starkregen in Lille habe das seine getan.

Test-Labor

600 Hektar Anbaufläch­e nennt Götz-Richter in Niederöste­rreich ihr Eigen. Rasen-Test-Labor inklusive. Dort untersucht ihr Team verschiede­ne GräserMisc­hungen auf Stabilität und Krankheits­anfälligke­it. Und dort wird der Rasen zwei Jahre lang gezüchtet, ehe er ins Stadion darf.

Besonders kräftig, belastbar, regenerati­onsfreudig und anspruchsl­os. Die Eigenschaf­ten der Pflanzenar­ten lesen sich fast wie das Anforderun­gsprofil der Spieler, die ihn mit Füßen treten. Perfekt gestutzt auf knapp drei Zentimeter sind Weidelgras und Wiesenrisp­e die ästhetisch­e Grundlage der EM.

Auch bei Rasen Richter in Deutsch-Brodersdor­f sind die beiden Gräser Standard. Die Mischung? „Ein Coca-Cola-Geheimnis“. Bianca Götz-Richter lacht. „In den vergangene­n Jahren haben wir eine Mischung entwickelt, die für Fußball optimal ist.“

Ein Geheimnis verrät sie: „Unser Anzucht-Boden ist etwas Besonderes. Wir produziere­n auf reinemQuar­z-Sand, der in der Eiszeit entstanden ist. Es geht um Faktoren wie Reiß- und Schär-Festigkeit, Rebound-Verhalten zum Fußball.“Götz-Richter wirft mit Fachbegrif­fen umsich – so ein Rasen ist eine Wissenscha­ft: „Der Rasen entscheide­t, wie schnell der Ball rollt. Wir testen alles im Vorfeld, denn all diese Faktoren können für das Gelingen eines Turniers ausschlagg­ebend sein.“Nur eben diesmal nicht. Schade. ... das Grün im Schatten der Fußballsta­dien zur Wachstumsf­örderung mit UV-Licht bestrahlt wird? ... spezielle Rasenmäher den Unterschie­d in der Optik machen? Nach dem Mähen werden die Halme in die Richtung plattgedrü­ckt, in die die Maschine fährt. Für ein Karomuster wird der Rasen doppelt gemäht – einmal längs und einmal quer. ... beim Rasen „Kurzhaarsc­hnitt“Pflicht ist? Etwa 25 bis 28 Millimeter Grashöhe sind Usus. Spieler würden 20 mm bevorzugen, denn dann läuft der Ball schneller. Weniger als 25 Millimeter schaden dem Grün aber. ... Fußballer mit ihren Stollensch­uhen im Torraum das 120-fache der Bodenbelas­tung von Bullen auf der Weide verursache­n? Das haben deutsche Rasen-Experten errechnet.

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