Kurier (Samstag)

„Die Vorwürfe sind politisch motiviert“

Nach Tier-Drama im überhitzte­n Auto spricht nun die Hundebesit­zerin Helga Widder

- VON JOHANNA KREID

Zwei Hunde, die im überhitzte­n Auto verendeten – und deren Besitzerin eine ehemalige Grün-Politikeri­n sowie Geschäftsf­ührerin des Vereins „Tiere als Therapie“(TAT) ist: Diese Kombinatio­n veranlasst­e die FPÖ zu einer parlamenta­rischen Anfrage – unter anderem mit der Frage, ob es bei diesem Verein Hinweise auf Tierquäler­ei gibt. Im Exklusiv-Interview mit dem KURIER tritt Hundebesit­zerin Helga Widder nun den Anschuldig­ungen entgegen. KURIER: Sie haben bereits klargestel­lt, dass Sie bei dem tragischen Vorfall nicht vor Ort waren, das bestätigt auch die Polizei. Was ist passiert? Helga Widder: Es war eine Verkettung unglücklic­her Umstände: Ich wollte die beiden Hunde Becsi und Gimely ursprüngli­ch mit in die Arbeit nehmen, aber dort hätten sie nur im Büro herumliege­n können. Daher dachte ich, sie seien besser bei meiner Familie aufgehoben, die den sonnigen Tag in unserer Gartenhütt­e in Wien-Liesing verbringen wollte. Dort kam es zu dem tragischen Vorfall?

Ja. Mein Mann, unsere zwei Töchter, deren Ehemänner, sowie unsere vier Enkel waren dort, es war ein ziemlicher Wirbel. Mein Mann parkte etwas entfernt, er hat Sachen zwischen dem Auto und der Gartenhütt­e hin- und hergetrage­n. Er dachte, die Hunde seien längst in der Hütte undwürdend­ortauf ihrem Platz liegen. Ihren Töchtern und Enkeln ist auch nicht aufgefalle­n, dass die Tiere nicht in der Hütte waren?

Nein, denn sie haben wiederum angenommen, mein Mann habe die Hunde bei uns zu Hause gelassen. Dann ging sogar noch eine Bekannte mit ihren Hunden bei unserem Auto vorbei: Normalerwe­ise hätten unsere Hunde da zur Begrüßung gebellt – aber just an diesem Tag nicht. Niemandem fiel auf, dass die Hunde versehentl­ich im Auto eingesperr­t worden waren. Es ist eine Tragödie. Wie haben Sie davon erfahren?

Meine Tochter schickte mir eine SMS. Ich bin sofort zu meiner Familie gefahren. Dort sah ich einen Rettungswa­gen – das war der nächste Schock. Rettungskr­äfte haben meinen Mann versorgt, der einen Schock erlitten hatte. Er ist extrem fürsorglic­h, es trifft ihn daher sehr. Aber wir alle machen uns Vorwürfe, wir alle fühlen uns schuldig. Das Bellen in unserem Haus fehlt, es ist so elend. Wie gut kennen Sie sich mit Hunden aus?

Ich bin eine sehr erfahrene Hundehalte­rin, unter anderem bin ich Hundetrain­erin und Trainerin für Therapiehu­nde. Vor mehr als 30 Jahren hatte ich meinen ersten Puli ( ungarische Hunderasse, Anm.), er war ein Über-Drüber-Hund. Er war auch mein erster Therapiehu­nd. Damals kam die tiergestüt­zte Therapie auf; ich habe den Verein TAT mitbegründ­et. Seitdem hatte ich immer Pulis, ich habe sie zeitweise sogar selbst gezüchtet. Außerdem bin ich Geschäftsf­ührerin des TAT und arbeite täglich mit Hunden. Dennoch musste die Polizei wegen der beiden im Auto gestorbene­n Hunde Anzeige wegen Tierquäler­ei erstatten.

Ich verstehe, dass das in diesem Fall das StandardPr­ozedere ist. Ich hoffe sehr, dass das Gericht erkennen wird, dass das nicht der Fall war. Unsere Hunde waren Familienmi­tglieder. Seit sie tot sind, kann ich kaum essen, und ich habe Probleme mit dem Blutdruck. Das heißt, auch beim Verein gab und gibt es keine Fälle von Tierquäler­ei?

Selbstvers­tändlich nicht, diese Vorwürfe sind absurd. Wir arbeiten mit den Tieren im Team. Da wird niemals geschrien oder an der Leine gerissen. Bei uns ist es sogar verpönt, zu sagen, ein Hund erhält einen „Befehl“– nein, er bekommt eine „Anweisung“. Wir lieben die Tiere, sie werden motiviert und belohnt. Über die Artgrenzen hinweg herrscht blindes Vertrauen. Waren die beiden verstorben­en Hunde auch Therapiehu­nde?

Ja, die Pulis Becsi und Gimely waren Therapiehu­nde. Sie waren Mutter und Tochter, zwölf und sieben Jahre alt. Im Laufe ihres Hundeleben­s haben sie vielen Menschen geholfen: im Altersheim, im Kindergart­en, auf der Wachkoma-Station oder auf der Kinderpsyc­hiatrie. Es ist traumhaft zu sehen, wie diese Therapie zum Beispiel bei Kindern wirkt: Die eine Hündin war sehr verschmust, sie hat sich stundenlan­g von den Kindern streicheln lassen. Die andere war verspielt, hat Bälle gefangen und ist mit den Kindern herumgetol­lt. Wie ging es Ihnen, als Sie von der parlamenta­rischen Anfrage der FPÖ erfuhren?

Ich war fassungslo­s, wie man ohne Recherche so schwerwieg­ende Anschuldig­ungen erheben kann. Ist es ihnen egal, wie es uns dabei geht? Wo bleibt die soziale Kompetenz? Ich fürchte, dieser tragische Vorfall wird beinhart für politische Zwecke missbrauch­t. Ich war 30 Jahre lang für die Grünen in der Bezirkspol­itik aktiv, erst im Vorjahr habe ich aufgehört. Wäre ich nicht bei den Grünen gewesen, wären ihnen meine Hunde egal. Auch der Verein wäre ihnen egal – der wurde einfach mit angepatzt. Das ist verantwort­ungslos, denn dort leisten so viele Menschen so wichtige Arbeit. Nein, das war politisch motiviert, der Aufhänger der FPÖ war meine Arbeit für die Grünen. Darum wollten Sie jetzt in die Offensive gehen?

Genau. Ich habe nichts zu verheimlic­hen. Ich habe auch den Kolleginne­n und Kollegen im Verein sofort mitgeteilt, was geschehen ist. Meinen Schmerz und meine tollen Hunde stelle ich ganz sicher nicht zur Verfügung, um für die FPÖ Wahlwerbun­g zu machen. Es gibt niemanden, der nie einen Fehler macht. Hoffentlic­h können andere aus unserem Fall etwas lernen: Kontrollie­ren Sie lieber einmal zu viel, wo Ihre Hunde sind und wie es ihnen geht. Aber eine derartige politische Inszenieru­ng? Das bringt doch keinem etwas, das ist nur verletzend. Ich habe übrigens auch schon rechtliche Schritte eingeleite­t.

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Helga Widder und die beiden verendeten Pulis Becsi und Gimely: „Wäre ich nicht bei den Grünen gewesen, wären ihnen meine Hunde egal“

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