Vom Tanz der Lebensfreude zum Tanz des absoluten Grauens
Kritik.
Mit der gefeierten Produktion „BiT“der französischen Choreografin Maguy Marin gelang dem ImPulsTanz Festival im Volkstheater ein Auftakt, der nachdenklich stimmte. Dabei ist die im Mittelpunkt stehende provenzalische Farandole, ein schneller Volkstanz im 6/8-Takt, mitreißend und wird zu modernen „Beats“von Charlie Aubry wie von Peitschenschlägen weiter gesteigert. Der Rhythmus durchdringt das Leben der Menschen, steht auch für eine sich wiederholende Routine.
Doch Marin, die zu den bekanntesten Vertreterinnen des französischen Tanztheaters zählt, geht es nicht um Unterhaltung. Ähnlich wie Pina Bausch gehört sie zu den großen Beobachterinnen ihres sozialen, geografischen und wirtschaftlichen Umfelds. Und da bietet das 2014 im südfranzösischen Toulouse entstandene BiT eine Fülle von Möglichkeiten, neben einer ausgelassenen Feierstimmung in menschliche Abgründe zu schauen.
Zerstörte Anarchie
Die streng fixierten Regeln der Farandole fordern drei Paare geradezu heraus, für einen Bruch zu sorgen. Doch die zunächst noch freudig begrüßte Anarchie kippt allzu schnell, wenn erst einmal einzelne Kleidungsstücke fallen und es zu tatsächlichen Berührungen von Frauen und Männern kommt.
Unvermutet passieren sexuelle Übergriffe auf Frauen bis zu Vergewaltigungen. In Rückblicken auf das 19. Jahrhundert wird klar, dass sich an der Situation von wehrund hilflosen Frauen bei sexuellen Attacken wenig geändert hat. Das schmerzt, genau so wie eine Szene mit Mönchen, die ihre unterdrückte Sexualität nur mit erzwungener Gewalt und Verletzung anderer ausleben können.
Der Inhalt und die dramaturgische Aufbereitung in einem schlichten Raum mit schiefen Ebenen, die zahlreiche Flucht- wie Angriffspunkte bieten, sorgen für einen filmischen Ablauf des düsteren Farandole-Reigens mit einem beklemmenden Kampf umMacht, Sex undam Ende auch um Geld.