Kurier (Samstag)

Die Promenade des Anglais: Eine Flaniermei­le für Arm und Reich

Bucht der Engel. Nizza ist auch ein Rekrutieru­ngszentrum für Dschihadis­ten

- – SUSANNE BOBEK

Das Luxushotel Negresco an der Promenade des Anglais wurde in der Nacht kurzerhand in ein Lazarett umfunktion­iert. Im Ersten Weltkrieg war es auch einmal ein Militärspi­tal. Dieses Hotel der Belle Époque symbolisie­rt den immensen Luxus an der Côte d'Azur, es liegt am teuersten Strandabsc­hnitt Nizzas, da, wo sich die Fünfsterne-Hotels bis zum Palais de Méditerran­ée aneinander­reihen, da, wo auf dem Schotterst­rand dunkelblau­e Schirme und weiße Liegen auf Kundschaft warten.

Der Attentäter hat genau in dieser Postkarten­idylle zugeschlag­en. Seit dem 19. Jahrhunder­t entwickelt­e sich Nizza von der verschlafe­nen Hafenstadt zur mondänen Kurmetropo­le für Russen, die dem Winter entkommen wollten, und Engländer, die Zeit und Muße hatten, am azurblauen Meer auszuspann­en. Die Hocharisto­kratie und Industriel­lenfamilie­n bauten sich schlossähn­liche Häuser. Königin Victoria und die Zarenfamil­ie kamen auf Besuch.

Ein Paradies auch für Geschäftsl­eute und Glücksritt­er. Seit 1860 gibt es beispielsw­eise die durch einen Woody-Allen-Film weltberühm­te Weinhandlu­ng Cave Bianchi ganz in der Nähe des berühmten Marktes Cours Saley in der Altstadt und gewisserma­ßen am Ende der Promenade des Anglais. Die Luxusgäste wollten damals nur den feinsten Champagner und Bordeaux trinken, der Weinhändle­r konnte sich deshalb als erster Einheimisc­her ein Automobil leisten und damit ausliefern.

Soweit die glorreiche Ver- gangenheit. Die Gegenwart ist trister. Die Franzosen kürzen ihre Uferstraße Prom ab, was heute besser passt. Denn die Engländer sind weg, und der öffentlich­e Raum gehört allen. Unter den Opfern, die das Feuerwerk sehen wollten und dann von einem Lastwagen überfahren wurden, waren viele junge Leute mit nordafrika­nischem Migrations­hintergrun­d.

Hohe Arbeitslos­igkeit

In der Baie des Anges, Bucht der Engel, in der Nizza liegt, gibt es eine hohe Jugendarbe­itslosigke­it. Hinter den prachtvoll­en Fassaden tut sich eine 360.000-Einwohner-Stadt auf, in der es No-goAreas gibt. Die Wirtschaft­skrise hat die Stadt im Griff. In der Region Provence-AlpesCôte d'Azur holte im Dezember Marion Marechal-Le Pen für den rechtsradi­kalen Front National 45,2 Prozent der Stimmen. Nizza blieb gerade noch konservati­v.

Die Stadt gilt als Rekrutieru­ngszentrum für Dschihadis­ten. Der Franko-Senegalese Oumar Diaby, besser bekannt als Omar Omsen soll viele junge Franzosen für den Dschihad in Syrien rekrutiert haben. Seit 2013 hält er sich dort auf. Davor war er als radikaler Hasspredig­er in Nizza aktiv. Im Juni tauchte er in einem Film des französisc­hen Senders France 2 auf. Darin ist zu sehen, wie er eine Gruppe von rund 30 Franzosen kommandier­t. Die meisten von ihnen stammen aus Nizza und Umgebung. Im Film rechtferti­gt er die Anschläge von Paris als Vergeltung auf die Angriffe auf Frauen und Kinder in Syrien.

 ??  ?? Das Luxushotel Negresco an der Promenade des Anglais wurde in der Nacht kurzerhand in ein Lazarett umfunktion­iert
Das Luxushotel Negresco an der Promenade des Anglais wurde in der Nacht kurzerhand in ein Lazarett umfunktion­iert
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria