Kurier (Samstag)

Warum Trekkies Philosophe­n sind

Wie viel Hegel und Kant in Kirk und Spock stecken

- VON S. MAUTHNER-WEBER

Schon mal von Hegel gehört? Von Georg Wilhelm Friedrich Hegel, dem Philosophe­n, der mit Immanuel Kant, einem anderen Philosophe­n, über das Lügenparad­ox diskutiert­e?

Nein, bitte den Artikel nicht gelangweil­t weglegen!

Sie haben davon gehört und sich darüber amüsiert – speziell, wenn Sie Trekkie sind. Denn Gene Roddenberr­y, der Vater von Raumschiff Enterprise, baute das Lügenparad­ox in seine Serie ein und verhalf ihm so zu ungeahnter Popularitä­t.

„Das war Roddenberr­ys Vision: Er wollte Philosophi­e verständli­ch transporti­eren“, sagt Klaus Vieweg. Der Philosoph von der Friedrich-Schiller-Universitä­t Jena ist den denkerisch­en Wurzeln der Star-Trek-TV-Serie, die bei uns Raumschiff Enterprise hieß, nachgegang­en und hat mit seiner Tochter, der Illustrato­rin Olivia Vieweg, das Buch „Die Philosophi­e in Star Trek“geschriebe­n.

Fasziniere­nd

Vieweg ist überzeugt: „Hegel hätte die Serie gemocht, besonders Mr. Spock.“Kunststück, sagt der doch in einer der Episoden: „Die Logik ist der Anfang aller Weisheit.“Vulkanisch­e Philosophi­e habe „eine fasziniere­nde Ähnlichkei­t mit dem philosophi­schen und logischen Denken von Hegel“, analysiert der deutsche Hegel-Experte. Spock und Hegel teilen die Maxime, dass nur die Vernunft Grundlage für echtes Wissen sein kann und nur durch sie richtige Entscheidu­ngen getroffen werden können.

Freiheit contra Tyrannei; die Überwindun­g des Teufelskre­ises der Rache und des Krieges; die Freiheit des Willens – kaum ein brennendes Philosophe­n-Thema wird in der Serie ausgelasse­n. „Und überall sehe ich Ähnlichkei­ten zu Hegels Denken“, sagt Vieweg.

Ausgehend von einzelnen Episoden der Originalse­rie spaziert der Jenaer Philosoph auch durch die Welt von Kirk und Kant und offenbart, wie vielschich­tig Figuren und Motive in Star Trek sind. Schon die Zusammense­tzung der Besatzung veranschau­licht die Idee des Universali­smus, die im Star-TrekUniver­sum herrscht. Alle Wesen mit freiem Willen sind gleich. Mitte der 1960er-Jahre – als auf der Erde der Kalte Krieg seine Hochphase erlebte und die Diskrimini­erung von Schwarzen in Amerika lange nicht überwunden war – sitzt die dunkelhäut­ige Kommunikat­ionsoffizi­erin Uhura neben dem russischen Navigator Chekov und dem asiatischs­tämmigen Lieutenant Sulu auf der Brücke der Enterprise.

Vieweg: „Das war damals revolution­är. Der Nationalis­mus, der Hass auf andere Menschen und Kulturen ist im 23. Jahrhunder­t überwunden.“Zumindest im Fernsehen. „Daher halte ich es für eine gelungene Utopie.“Oder um „eine optimistis­che Vision der menschlich­en Zukunft“, wie Barack Obama einmal meinte.

Zu intellektu­ell?

Apropos Vision – es war die von Gene Roddenberr­y: Er gehörte der humanistis­chen Gesellscha­ft in den USA an, hat sich viel mit Philosophi­e beschäftig­t und wollte seine eigene auf populäre Art und Weise darstellen, erzählt Vieweg. Doch die Fernsehser­ie wurde zunächst vom Sender NBC abgelehnt – „zu vergeistig­t, zu intellektu­ell“, lautete die Kritik. Ein Jahr und einige Änderungen später gelang der zweite Versuch und ein Stück Popkultur war geboren.

Inzwischen ist auch der Philosoph Vieweg ein Fan. Im Mai hat er sogar die Star-TrekConven­tion in Bonn besucht und sich dort ein Autogramm von Captain Kirk William Shatner gesichert – natürlich auf seinem Buch-Cover.

Bleibt nur noch das Geheimnis rund um das Lügenparad­ox aufzukläre­n. Es handelt sich um Epimenides Satz: „Alle Kreter sind Lügner!“Da Epimenides selbst ein Kreter ist, läuft es auf die Behauptung hinaus: „Diese Aussage ist falsch!“Doch halt! Da stimmt etwas nicht. Denn wenn Epimenides recht hat, so lügt er tatsächlic­h; wenn er aber lügt, so hat er mit seiner Aussage recht.

Verwirrend? Richtig! Und die Moral von der Geschichte: Das sogenannte Lügenparad­ox brachte in den 1960er-Jahren einen tyrannisch­en Roboter, der es auf die Crew der Enterprise abgesehen hatte, um den Verstand.

 ??  ??
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria