Der Hammer hätte niemals den Mund aufmachen dürfen
Tilman Rammstedt.
gefordert, seinem Bankberater, der soeben seine Bank überfallen hatte, aus der Patsche zu helfen. Denn die Polizei war schon sehr nahe, und einem berühmten ActionHelden fällt vielleicht etwas ein ...
Also, das war schon auch ein bissl kindisch mit dem Bankberater, aber genialerweise fiel das nicht (nicht allen) auf.
In „Morgen mehr“misslingt dieses kunstvolle Täuschungsmanöver. Da kann der 41-Jährige noch so viele Einfälle aneinanderreihen. Alles wirkt angestrengt.
Man sieht das Kindische und verliert deshalb schön langsam die Lust an der Spielerei.
Kletterschaf
Manchmal lässt Tilman Rammstedt die Handlung sausen. Die Grundidee erlaubt alle möglichen und unmöglichen Schlenker
Dann beantwortet zum Beispiel ein Hammer (genau, ein Hammer) Fragen zum Thema, wie man die Zeit anhalten kann.
Und die Sehnsucht (genau, die Sehnsucht) ruft im Verhör: „Ich bin ja nur die Sehnsucht. Ich mache nur meinen Job. Ich zeige auf, was alles fehlt.“
Dass ein Schaf auf den Eiffelturm klettert, ist in diesem gewollten Chaos wirklich nicht der Rede wert.
Schafe sind und bleiben uns fremd. „Tram 83“ist der Name eines Nachtlokals in Stadtland, damit ist wohl Kinshasa im Kongo gemeint.
Dass es überall ums Geld geht, und hier ganz besonders, sieht man allein schon daran: Die Kellnerin macht die Bierflasche erst auf, bis man ihr das energisch geforderte Trinkgeld gegeben hat.
Zum Reden kommt man hier kaum, denn Prostituierte umzingeln dich. Sie setzen sich zu Kindersoldaten, Organhändlern, Studenten, Minenarbeitern, Piraten, Frischwasserverkäufern ...
Man lernt den Unterschied zwischen „Fleischtomatentitten“und „Mandarinentitten“– gut, das ist jetzt nicht so schwierig.
Aber beim „Ananaspo“und beim „Avocadopo“muss man sich konzentrieren.
Statt Noten
Dazu versucht ein Saxofonspieler, John Coltrane zu imitieren. Dessen Musik passt zum Roman.
Der aus dem Kongo stammende, in Graz lebende Fiston Mwanza Mujila hat „Tram 83“komponiert.
Der 1981er-Jahrgang war damit heuer überraschend im Rennen um den internationalen Man Booker Price, und in Frankreich, wo der Roman zuerst erschien, waren mehrere Kritiken hymnisch. Wegen des Sounds. Nicht wegen der dünnen Handlung. (Ein Schriftsteller flüchtet vor Zensur und Erpressung, bei einem alten, schrecklichen Freund sucht er Schutz und lässt sich – obwohl in einem der ärmsten Länder der Welt – nicht korrumpieren.)
Aber John Coltrane mit Buchstaben statt Noten, das hat etwas.
Es funktioniert, wenn es in einer Luft aus Schweiß, Sex, Alkohol sehr schnell geht: Wenn Ausgesprochenes noch in der Luft liegt, aber vom Kommenden bereits überholt wird.
In „Tram 83“sitzt man seine Zeit ab. Älter wird man nicht. „Jeder für sich und Scheiße für alle“, schreibt Mujila, der etwas Eigenwilliges, Eigenständiges zusammenbrachte. Die Nervosität im Buch ist ansteckend. Man könnte nach John Coltrane ein Lied von Peter Alexander brauchen.