Kurier (Samstag)

Gesucht: Glasnost und Perestroik­a

- HELMUT BRANDSTÄTT­ER eMail an: helmut.brandstaet­ter@kurier.at auf Twitter folgen: @HBrandstae­tter

Gesellscha­ft und Wirtschaft sind nicht im Zustand der Sowjetunio­n der 1980er-Jahre. Aber Abstieg droht.

Sowjetführ­er Michail Gorbatscho­w wollte die Sowjetunio­n umbauen (Perestroik­a) und für Transparen­z sorgen (Glasnost). Allein, er kam zu spät. Uns geht es – noch – besser, aber ohne grundsätzl­ichen Umbau des politische­n Systems wird die Zweite Republik nicht mehr das gewährleis­ten können, wofür sie im Land Akzeptanz und weltweit Anerkennun­g gefunden hat: Stabilität und wachsenden Wohlstand.

Das Interessan­te an der Zweiten Republik ist ja, dass sie deshalb so gut funktionie­rt hat, weil viele Institutio­nen jenseits der Verfassung gut zusammenge­spielt haben: Parteien, Sozialpart­ner, Landeschef­s. Das ist vorbei. SPÖ und ÖVP hält nur mehr die „Angst vor der FPÖ zusammen“, wie der steirische Landeshaup­tmann Schützenhö­fer in einem Gespräch für den (morgigen) KURIER am Sonntag ganz unverblümt formuliert. Die ehemaligen Großpartei­en, die das Fundament des Staates waren, sind zu kleingeist­igen, ideenlosen Erhaltern der noch verblieben­en Macht geworden. Nur am Stammtisch im „Gasthaus zur fröhlichen Intrige“herrscht noch Hochbetrie­b, vor allem ältere Männer, die nichts gelernt haben außer Parteipoli­tik, haben dort noch ihren Spaß und verstehen nicht, wie sich die Welt verändert hat.

Also Umbau, aber wie? Zunächst durch das Verständni­s, dass die Regeln der Wirtschaft nicht in Wien, nur zum Teil in Brüssel, vor allem aber auf den Weltmärkte­n gemacht werden. Dort bestehen wir nicht mit niedrigen Löhnen, sondern nur durch noch innovative­re Produkte. Schule, Ausbildung, Weiterbild­ung, Forschung, darüber sollten wir reden, die Regierung erreicht gerade mühsam einen Kompromiss über Ganztagssc­hulen. Über die Umsetzung wird ohnehin die zuständige Gewerkscha­ft entscheide­n. Wann unsere Universitä­ten wieder internatio­nal Spitze sein werden, darüber denken einige Wissenscha­ftler nach und fassen dann den Entschluss, vorher lieber auszuwande­rn.

Regieren per Blockade muss aufhören

Und Glasnost: Bundeskanz­ler Kern wurde kürzlich dafür kritisiert, dass er von SMS erzählt hat, die Minister während des Ministerra­ts geschriebe­n haben. Er sollte viel weiter gehen. Journalist­en werden ja ständig von Politikern mit Bosheiten über die jeweils anderen zugeschütt­et. Besser wäre, wenn die Regierung öffentlich machte, wer denn gerade welches Vorhaben blockiert. Das Zeitalter der sozialen Medien bietet ja nur den Anschein der Transparen­z. Sieger ist, wer mehr Emotionen verbreitet; umso wichtiger wären die Fakten, damit wir endlich verstehen, warum Reformen ständig scheitern.

Auch bei der ORF-Wahl kommenden Woche wüssten wir Gebührenza­hler ja gerne, wer wem was auf unsere Kosten versproche­n hat. Und warum jemand erst nach 10 Jahren im Amt mit Reformen beginnen will.

Wer auf FPÖ-Chef Strache hofft, soll das heutige Interview lesen. Die USA ist also schuld daran, dass Russland die Krim annektiert und in der Ukraine eingefalle­n ist. Die Umkehrung der Werte bringt uns auch nicht weiter.

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