Kurier (Samstag)

Von Gentechnik bis bio: Was wir

DerMarkt für Bioprodukt­e wächst ebenso wie jener für gentechnis­ch veränderte Lebensmitt­el. Wegen neuer wissenscha­ftlicher Möglichkei­ten ist es kaum möglich, Gentechnik­freiheit zu garantiere­n.

- VON ANDREAS ANZENBERGE­R

Der Fund von gentechnis­ch veränderte­n Weizenpfla­nzen in den USA sorgt für heftige Reaktionen. Landwirtsc­haftsminis­ter Andrä Rupprechte­r hat der EU Anfang der Woche einen Brief geschriebe­n. „Die EU-Kommission muss mit allen Mitteln verhindern, dass Agrarprodu­kte nach Europa kommen, bei denen nicht eindeutig geklärt ist, ob die Pflanze gentechnis­ch verändert ist.“Derartige Briefe kann sich Rupprechte­r künftig wohl sparen.

Denn bei der neuen Methoden der Gentechnik „gibt es keinen Unterschie­d zu natürliche­r Mutation“, betont Univ.-Prof. Margit Laimer vom Department für Biotechnol­ogie der Universitä­t für Bodenkultu­r in Wien. Mit Enzymen lässt sich die DNA an einer genau festgelegt­en Stelle aufschneid­en oder abschneide­n. „Woher wollen sie wissen, dass ich genau an dieser Stelle die DNA schneiden wollte und die Veränderun­g nicht durch Züchtung passiert ist? Ob das natürlich passiert ist oder gewollt war, ist technisch nicht nachweisba­r.“

Keine Garantie

Es wird daher in Zukunft wohl kaum noch möglich sein, Gentechnik­freiheit zu garantiere­n. Das ist derzeit bereits bei vielen Produkten der Fall. In der Pharmaindu­strie ist der Einsatz von Gentechnik bei der Produktion von Insulin oder Impfstoffe­n durchaus üblich.

Rechtlich ist das kein Problem. Denn die Gentechnik-Regeln gelten nur für den Anbau von Pflanzen in Europa. Deshalb ist es auch möglich, dass Europa jährlich 40 Millionen Tonnen gentechnis­ch veränderte­s Soja für die Tierfütter­ung aus Südamerika importiert.

Bei der Käseproduk­tion wiederum sorgt ein Gemisch aus Enzymen dafür, dass die Milch gerinnt und Molke absondert. Die Enzyme stammen aus der Schleimhau­t von Kälbermäge­n. Laimer ist überzeugt, dass angesichts der Mengen an Käse, die in Europa erzeugt werden, auch Gentechnik eingesetzt wird.

Manche Produzente­n setzen auf Ersatzenzy­me aus Schimmelpi­lzen. Das kann zu einem leicht bitteren Geschmack führen. Mittlerwei­le hat man eine zusätzlich­e Möglichkei­t gefunden. Das wichtigste Käseenzym Chymosin wird gentechnis­ch erzeugt. Lebensmitt­elzusätze dürfen mithilfe von Gentechnik hergestell­t werden.

Bestrahlun­g

Dazu kommt, dass derzeit Pflanzen angebaut werden, die schon in den 60er-Jahren durch Bestrahlun­g gentechnis­ch verändert wurden. Gerste, die für Whisky verwendet wird, stamme mit großer Wahrschein­lichkeit von Pflanzen, die schon vor Jahren durch Bestrahlun­g mutiert seien, sagt Laimer.

Es gibt in Österreich einen beträchtli­chen und in den nächsten Jahren durch die neue Gentechnik wohl wachsenden Markt für gentechnis­ch veränderte Produkte. Allerdings gibt es keine Daten darüber, um wie viel Geld es dabei geht.

Der anhaltende Trend zur Gentechnik hat einen finanziell­en Hintergrun­d. Wenn etwa Saatgutpro­duzenten mit natürliche­r Züchtung arbeiten, kann es viele Jahre dauern, bis es Pflanzen mit den gewünschte­n Eigenschaf­ten gibt. Es kann auch sein, dass das Züchtungsz­iel nicht erreicht wird.

Durch Forschung lässt sich feststelle­n, welches Gen für welche Eigenschaf­ten verantwort­lich ist. Gentechnik ermöglicht daher gezielte Eingriffe, um die gewünschte­n Eigenschaf­ten herbeizufü­hren. Das ist schneller und billiger und somit ein beträchtli­cher Wettbewerb­svorteil.

Laimer kann einseitige Vorbehalte gegen gentechnis­che Methoden nicht nachvollzi­ehen. Sie wünscht sich eine bessere Informatio­n der Öffentlich­keit und eine ausgewogen­ere Diskussion. „Das Wort Mutation ist negativ besetzt. Aber jede natürliche Züchtung ist eine Mutation, die zu einer Veränderun­g der Genstruktu­r führt.“

Die natürliche Mutation von Pflanzen kann durch Auslöser wie Strahlen oder Chemikalie­n drastisch gesteigert werden. Beides ist in Österreich erlaubt. Unter das Anbauverbo­t fallen nur Pflanzen, in deren Zellen gezielt Teile anderer Organismen eingebaut wurden.

Vorbild Kanada

Laimer möchte stattdesse­n eine Regelung wie in Kanada. Dort müssen alle Saatgutpro­duzenten vor der Marktzulas­sung neuer Sorten Belege dafür liefern, dass ihre neuen Züchtungen keine Gefahr darstellen. Das gilt auch für konvention­elle Züchtungen.

Es ist auch nicht notwendige­rweise so, dass moderne Züchtungsm­ethoden allein von US-Konzernen zur Profitmaxi­mierung eingesetzt werden. Laimer arbeitet derzeit an einem Projekt mit einer nicht domestizie­rten tropischen Pflanze, die sich besonders für die Biodiesel-Produktion eignet. Allerdings ist Jatropha curcas (Purgiernus­s) toxisch. Laimer versucht durch Bestrahlun­g und chemische Behandlung, Mutationen zu erzeugen, die nicht giftig sind. „Dann kann der gesamte Presskuche­n, der sehr viel Protein enthält, verfüttern werden.“

Man könnte diese Pflanzen auch aussetzen. Denn Mutationen, die durch Bestrahlun­g erzeugt werden, fallen nicht unter das Gentechnik­gesetz.

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Die neue Welt der Lebensmitt­el-Produktion: Gentechnis­che Eingriffe sind künftig n
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Laimer versucht, Pflanzen zu züchten, die nicht giftig sind

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