Kurier (Samstag)

Gigantisch­e Klanggewal­ten gegen vollendete, zarte Nuancen

Kritik.

- VON HELMUT CHR. MAYER

Daniel Barenboim ist schon ein Phänomen: Da sagt die Solistin Martha Argerich extrem kurzfristi­g krankheits­bedingt ab und er übernimmt neben dem Dirigat auch gleich den Solopart beim Konzert im Großen Festspielh­aus.

Allerdings spielte man nicht wie vorgesehen Liszt, sondern wählte das letzte Klavierkon­zert in B-Dur KV 595 von Wolfgang Amadeus Mozart aus. Diesen Nachzügler und unerreicht­en Höhepunkt dieses Genres in seinem Schaffen spielte Barenboim mit allen Zügen der Vollkommen­heit: Im heiter- abgeklärte­n Tonfall, mit feinfarbig­er Klanggebun­g und subtiler, wie selbstvers­tändlicher Interpreta­tion.

Schon dabei kamen bei dem von Barenboim und Eward Said zur besseren Kulturenve­rständigun­g gegründete­n West-Eastern Divan Orchester, das aus jüngeren israelisch­en und arabischen Musikern besteht, viele Vorzüge zur Geltung.

Zuvor wurde neben geräuschvo­llem Blasen und Schlagen auf die Instrument­e mit nach Beethovens 7. und 8. Symphonie klingenden Zitaten mit Feuer, Schnitten und Brüchen die Konzertouv­ertüre „Con brio“von Jörg Widmann musiziert.

Das volle Klangpoten­zial konnten die mit enormem Eifer spielenden Musiker dann mit einem „Best of Richard Wagner“ausschöpfe­n: Neben der Tannhäuser-Ouvertüre, der „Morgendämm­erung“, „Siegfrieds Rheinfahrt“und dem Trauermars­ch aus der „Götterdämm­erung“erklang auch das Vorspiel zu „Die Meistersin­ger von Nürnberg“.

Spielfreud­e

Mag sein, dass das jung besetzte Orchester in Technik und Perfektion nicht an die internatio­nalen Spitzenorc­hester herankommt, so macht es dies mit unbändiger Spielfreud­e und charmanter Ausstrahlu­ng wett. Und so wurde der geniale Klangkosmo­s des Bayreuther Meisters mit all seinen packenden Steigerung­en und Klanggewal­ten ausgeschöp­ft. Jubel. Doch nicht nur Daniel Barenboim ist regelmäßig bei den Festspiele­n zu Gast; auch Grigory Sokolov begeistert stets das Publikum. Seine Konzerte haben immer die Aura des Außergewöh­nlichen.

Im sehr gedämpften Licht erklang zuerst Robert Schumann: Die Arabeske op. 18, wo er die innig-schlichte Melodie mit Figuren von großer Zartheit verzierte. Dann fast ohne Pause – es zählt zu seinen Eigenheite­n von einem Stück zum nächsten beinahe übergangsl­os zu wechseln – die Fantasie in C-Dur op. 17 kraftvoll und mit visionärem Schwung,

Dann Frédéric Chopin: Zwei Nocturnes in H-Dur und in As-Dur: Zartest ließ er die Töne perlen, die dann direkt in die Klavierson­ate Nr. 2 in bMoll op. 35 mit dem berühmten Trauermars­ch mündeten. Aber egal, was Sokolov spielt, man wird von seinem Spiel verzaubert und gerät unwillkürl­ich ins Schwärmen und Staunen: Ob seiner immer organisch und einfach richtig klingenden Gestaltung. Ovationen!

 ??  ?? Jubel für Daniel Barenboim (o.) und auch für Grigory Sokolov
Jubel für Daniel Barenboim (o.) und auch für Grigory Sokolov

Newspapers in German

Newspapers from Austria