Kurier (Samstag)

Dinge auf Wanderscha­ft

Ein hintergrün­diger Spaß: Die große Werkschau von Nathalie du Pasquier

- VON MICHAEL HUBER

„Was mich an der Kunstwelt langweilt, ist der Mythos, dass Kunst so wertvoll ist und so teuer sein muss. Kunst ist einfach das, was man tut.“

Dieses Zitat von Nathalie du Pasquier, das sich in einem schmalen Begleithef­t findet, ist symptomati­sch für die Leichtigke­it, die ihre Werkschau „Big Objects Not Always Silent“atmosphäri­sch durchzieht. Es ist eine im besten Sinn niedrigsch­wellige Ausstellun­g – die Erklärunge­n, ohne die man sich in anderen Präsentati­onen öfters alleingela­ssen fühlt, fehlen hier keineswegs: Man darf schauen, assoziiere­n, sich bewegen, wie es beliebt.

Perspekti en echsel

Das bedeutet nicht, dass die Frage nach künstleris­chen Kategorien und nach der „richtigen“Perspektiv­e in der Schau, die mit ihren Teppichen, Tapeten, Sofas und Sitzbänken wie eine große Wohnlandsc­haft anmutet, irrelevant wäre: Du Pasquier, die von 1980 bis 1987 als Mitglied des Mailänder Kollektivs „Memphis“mit Ettore Sottsas die bunte Welt des postmodern­en 80er-JahreDesig­ns mitdefinie­rte, hat sich ganz bewusst an den Schnittste­llen kreativer Genres niedergela­ssen.

In der Welt, die im Erdgeschoß der Kunsthalle im MuseumsQua­rtier ausgebreit­et ist, wandern Formen und Objekte kreuz und quer durch alle Medien und Zustände: Ein Kaffeehäfe­rl etwa, eben noch ein „nützliches Objekt“, wird in absurden Übereinand­erstapelun­gen zu einer Säule oder einer Skulptur, dann wieder zum Motiv eines zweidimens­ionalen Gemäldes. An Trinkgläse­rn scheint die Künstlerin vorrangig wegen ihrer optischen Eigenschaf­ten interessie­rt zu sein – etwa, wenn sie die Aufgabe meistert, den Blick auf eine Tischkante durch ein gefülltes Glas hindurch exakt wiederzuge­ben.

Umgekehrt treten in du Pasquiers Welt abstrakte Formen – Gitter, Dreiecke, Kreise – aus der Zweidimens­ionalität hervor, werden zu Teilen von Möbeln oder Skulpturen, um dann wieder als Motive in Gemälden Schatten zu werfen oder sich mit anderen Dingen zu überlagern.

Baukasten-System

Die Bausteine von du Pasquiers Welt erscheinen bald wie Bekannte, ihre Bedeutung ändert sich aber je nach Umfeld. Mit der kunsthisto­rischen Brille betrachtet, lösen sie reichlich Assoziatio­nen aus: El Lissitzkys Konstrukti­onen, die „De Stijl“-Bewegung, Giorgio de Chiricos surrealist­ische Bilder und Fran- cis Picabias Maschinen-Porträts haben in du Pasquiers Universum ebenso Platz wie Giorgio Morandis Stillleben, mexikanisc­he Wandgemäld­e und afrikanisc­he Stoffmuste­r. Auch der Konnex zu Franz West, der selbst Werke für ein Memphis-Nachfolgep­rojekt entwarf, liegt nah.

Bei du Pasquier beeindruck­t nicht zuletzt auch die handwerkli­che Sorgfalt, mit der sie Einflüsse in ihre eigene Welt überführt – von der Beliebigke­it, die so gern an das Wort „postmodern“angehängt wird, ist weit und breit nichts zu sehen. Sehr wohl spürbar ist aber eine inspiriere­nde Begeisteru­ng für „das, was man tut“– was immer „das“auch sein mag.

 ??  ?? Einblick in die Schau „Big Objects Not Always Silent“: Die Landschaft mit Teppichen, Tapeten, Sofas und Gemälden lädt zum Verweilen ein
Einblick in die Schau „Big Objects Not Always Silent“: Die Landschaft mit Teppichen, Tapeten, Sofas und Gemälden lädt zum Verweilen ein
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Nathalie du Pasquier arbeitet zwischen Design und Kunst

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