Giftige Schmankerln aus dem Wald
Wie die ungenießbaren Doppelgänger der Speisepilze den Körper angreifen – und was dagegen hilft
Nussig schmeckt der braune Pilz nicht, dennoch sieht er einem Steinpilz zum Verwechseln ähnlich und wächst wie dieser bis November in Laub- und Nadelwäldern. Beim ersten Bissen erkennt der Koch den Unterschied: Der Gallenröhrling schmeckt, wie der Name schon sagt, stechend und bitter nach Galle. Der Doppelgänger ist ungenießbar, giftig aber nicht.
Was Sammlern oft Probleme bereitet: Giftpilze müssen weder bitter schmecken noch unangenehm riechen. Nur wenige Arten sind roh für den Menschen verträglich – rund 200 von 340 in Österreich bekannten PilzArten sind tatsächlich giftig.
Eine österreichweite Statistik über die Häufigkeit von Pilzvergiftungen gibt es allerdings nicht. Wolfgang Schreiber, Chefarzt vom Österreichischen Roten Kreuz: „In den vergangenen zehn Jahren gab es jährlich etwa ein bis zwei relevante oder tödliche Pilzvergiftungen. Statistisch gesehen ein seltenes Ereignis, das aber furchtbar für den Patienten ist.“
Gift schädigt Leber
Die Medizin unterscheidet zwischen zwei Hauptgruppen von Pilzgiften: „Bei der ersten Gruppe treten die Vergiftungssymptome nach einer langen Latenzzeit, die zwischen vier Stunden und mehreren Tagen betragen kann, auf. Die zweite Gruppe ist weniger gefährlich. Vergiftungssymptome treten hier schon nach 15 Minuten bis vier Stunden auf. Meist kommt es dann zu sehr unangenehmen Beschwerden wie Brechdurchfall, die mehrere Tage anhalten.“
Für seine hohe Giftigkeit ist der Knollenblätterpilz bekannt, der ein Gift enthält, das die Leber angreift. „Es gibt keine unmittelbaren Symptome, sondern erst mit einer Verzögerung von sechs bis 24 Stunden“, erklärt der Vergiftungsexperte Schreiber. „Wenn man direkt nach dem Verzehr eines Pilzgerichts, von dem man glaubt, dass es Wiesenchampignons oder Parasole enthält, erbricht, ist es eine Unverträglichkeit. Treten die Symptome erst einige Stunden später auf, ist sofort ein Krankenhaus aufzusuchen.“Die Situation ist nicht zu unterschätzen: „Die Patienten sind da oft noch in guter Verfassung – sie spüren unangenehme Symptome, sind aber nicht dramatisch beeinträchtigt.“
Durch eine Blutprobe ist im Labor schnell erkennbar, ob je nach Verzehrmenge eine Pilzvergiftung und eine Leberschädigung vorliegt. „Für Patienten mit einer relevanten Vergiftung ist eine Lebertransplantation die einzige Rettung. Der Patient wird dann akut ganz nach vorne in die Transplantationsliste gesetzt.“Ohne Behandlung führt das Pilzgift des Knollenblätterpilzes innerhalb von drei bis sieben Tagen zum Tod.
Klassiker am Markt
Allein in Wien suchen jährlich 3000 bis 5000 Menschen die Pilzberatungsstellen auf. Am häufigsten verwechseln Lamellen: Stiel: Vorkommen: Geruch und Geschmack: Doppelgänger: Sammler Knollenblätterpilz, Pantherpilz, Gallenröhrling und Karbolchampignon mit ihren harmlosen Doppelgängern (siehe Grafik).
Alexander Hengl, Wiener Kontrollor der Lebensmittelsicherheit (MA 59) ist mit den Stichproben des heurigen Jahres zufrieden: „Auf den Bauermärkten gibt es nur noch Steinpilze, Eierschwammerl und Parasol zu kaufen – da haben wir keine giftigen Doppelgänger gefunden. Seltene Pilze findet man auf den Märkten so gut wie gar nicht mehr, weil die Kunden große Angst vor Vergiftungen haben.“ Schwer verdaulich. Wer sich wegen der Unbedenklichkeit des Sammelguts nicht sicher ist, sollte vorsichtshalber eine Pilzberatungsstelle aufsuchen. Was wenige wissen: Bei Pilzgerichten kommt es auf die Portionsgrößen an. Da Schwammerln als schwer verdaulich gelten, können größere Mengen den Magen belasten. Pilzgerichte eignen sich zudem nicht zum mehrmaligen Aufwärmen – auch bekannte Speisepilze können Beschwerden verursachen.
Bereits bei leichten Vergiftungserscheinungen wie Verdauungsstörungen sollte das Krankenhaus aufgesucht werden. Experten raten, unbedingt Reste des Pilzes bzw. des Gerichts ins Spital mitzunehmen. Denn manchmal sind giftige Bestandteile im Blut nicht mehr nachweisbar, bis Symptome auftreten. Beim besonders giftigen Knollenblätterpilz stellt sich erst nach sechs bis 24 Stunden Brechdurchfall ein. Was Sie beachten müssen: – Suchen Sie rasch ein Krankenhaus auf. Bei Verdacht auf eine Pilzvergiftung nehmen Wiener sofort mit dem Vergiftungsnotruf im AKH Kontakt unter
01/406 43 43 auf. – Wenn vorhanden, Erbrochenes, Putzreste des Pilzes oder Speisereste in einem Plastikbeutel mitnehmen. – Kein Erbrechen auslösen und keine Milch einflößen. – Auf dem Weg ins Krankenhaus: freie Atemwege und stabile Seitenlage.