„Ein Dirndl ist sogar sehr emanzipiert“
das sei überhaupt kein Widerspruch, sagt Tostmann: „Ein Dirndl ist das Gegenstück zur Wegwerfkultur: Es kann von Generation zu Generation weitergegeben werden, ist nachhaltig und ökologisch. Also sogar ziemlich zukunftsweisend.“
Auch den Vorwurf, das Dirndl sei unfeministisch, will Tostmann so nicht stehen lassen. „Das Dirndl hat so viele Nuancen, da ist für jeden etwas dabei.“Als junge Frau in den Siebzigern habe sie etwa tief dekolletierte Trachtenkleider abgelehnt. „Das Dirndl ist sogar ein sehr emanzipiertes Kleidungsstück – ein Ja zur Frauenkultur.“
Für die Südtirolerin Elsbeth Wallnöfer, Volkskundlerin und Philosophin, ist das Dirndl „nach wie vor sehr politisch“– aber nicht nur. In ihren Augen gibt es zwei Strömungen: Den popkulturellen Hype, der vor allem am Oktoberfest und anderen hip gewordenen Volksfesten, immer öfter auch im urbanen Raum, sichtbar wird; und die Tracht als Symbol nationaler Be- deutung. „Politiker wie Strache knüpfen an die Politisierung der Tracht an. Wenn sich jetzt auch grüne Politiker in Tracht zeigen, obwohl sie diese stets abgelehnt haben, ist das nicht authentisch. Es wirkt eher wie eine hilflose Geste, Wähler zu erreichen.“
Den gänzlich unideologischen Trachten-Hype beim jungen Publikum sieht Wallnöfer positiv. „Vorher war das Dirndl nur politisch. Jetzt ist es demokratisch geworden.“
Stilbewusst
Demokratisch, politisch – und natürlich auch modisch. Was also macht sich heuer auf der Wiesn besonders gut? Geht es nach Österreichs Trachtenexpertin Lena Hoschek, gibt es beim Dirndl in Wahrheit keine saisonalen Trends. Die Anforderungen seien Jahr für Jahr dieselben: eng am Oberkörper, weit schwingender Rock, schön gebundene Schleife. Carmenblusen und Polyester dürfen im Schrank (oder gleich im Geschäft) bleiben; besonders schick sind 2016 Rosenprints und Seidenjacquards.
Ins Haar passen handgefertigte Blumenkränze in herbstlichen Beerentönen (auch hier gilt: bitte kein Plastik) oder, neuerdings, die „Goldreifen“der Designerin Niely Hoetsch – eine Hommage an die uralte österreichische „Goldhauben“-Tradition. Manchmal hilft eben schon ein moderner Gedanke, um einen Klassiker von seinem verstaubten Image zu loszulösen.