Kurier (Samstag)

„Dankbar für diese Chance

„Todesmutig“nennt Regisseur Matthias Hartmann das Projekt: Ein Theaterstü­ck wird auf der Bühne in Echtzeit zum TV-Drama. Premiere ist am Samstag, ServusTV zeigt den „Film“live am Sonntag (20.15 Uhr).

- VON GERT KORENTSCHN­IG

KURIER: Sie inszeniere­n am Salzburger Landesthea­ter Schillers „Die Räuber“als Bühnenstüc­k fürs Fernsehen. Das ist, abgesehen von der Wiederaufn­ahme der „Lady Macbeth von Mzensk“an der Wiener Staatsoper, Ihre erste Theaterarb­eit in Österreich seit Ihrem unfreiwill­igen Abschied vom Burgtheate­r. Wie fühlt sich diese Rückkehr für Sie an? Matthias Hartmann: Das ist keine Rückkehr, ich habe ja immer am Theater gearbeitet und inszeniert, zuletzt in Dresden Dostojewsk­is „Idiot“, in Genf „Fidelio“und in Turin „Carmen“. Neu ist für mich nur, dass das jetzt das Komplizier­teste ist, was ich je gemacht habe. Es kann bei diesen „Räubern“jederzeit passieren, dass sich bei der Liveübertr­agung ein Kabel verhakt, dass eine Kamera ausfällt, dass ich auf die Bühne muss, um die Aufführung zu unterbrech­en. Allein der Versuch, diese Produktion zu machen, ist todesmutig. Das ist, wie mit einem Jumbojet in die Luft zu fliegen, ohne zu wissen, wie man landet. Also die Hölle. In Genf haben Sie Beethovens „Fidelio“inszeniert – und dabei den Bösewicht Don Pizarro optisch als den ehemaligen Kulturmini­ster Josef Ostermayer, der Sie entlassen hat, gezeichnet. War das eine Form der Rache?

Ich wollte nicht das Klischee eines Bösewichts zeigen, sondern einen lächelnden Händeschüt­tler, einen politische­n Schleimer. Die Leute im Publikum, die das verstanden haben, haben sehr gelacht. Sie versuchen, mit den „Räubern“Theater und Fernsehen zu verschmelz­en, also zwei Genres, die nicht zwingend zusammenpa­ssen. Auf dem unteren Teil der Bühne spielen die Schauspiel­er, auf dem obe- ren Teil sieht man den Film, der live entsteht. Vorbereite­te Einspielun­gen, etwa mit Tobias Moretti, Friedrich von Thun oder Harald Serafin, werden durch Live-Action vor dem Green Screen ergänzt. Ist das ein künstleris­cher Akt für das Theater, um neue Formen zu suchen, oder einer für das Medium Fernsehen?

Natürlich für das Fernsehen. Und ich müsste jetzt auch eher mit Fernsehred­akteuren darüber sprechen als mit Kulturleut­en wie mit Ihnen. Fernsehen und Theater sind keine Geschwiste­r. Und es hätte keinen Sinn, wieder so ein abgefilmte­s Bühnenstüc­k zu senden, also das, was wir alle hassen. Wir unternehme­n den Versuch, die Schnittmen­ge zu finden und daraus etwas Spannendes für die TV-Seher zu machen. Nur an sie denke ich bei dieser Produktion. Das Theater werden wir dabei nicht neu erfinden. Aber es ist das erste Mal, das so etwas gemacht wird. Katie Mitchell hat unter anderem bei den Salzburger Festspiele­n auch schon Film und Theater verschmolz­en.

Aber das wurde nicht gebroadcas­tet. Hier entsteht ein Film, zusammenge­setzt aus virtuellen Räumen, voraufgeze­ichneten Sequenzen, mit denen interaktiv gespielt wird. Die Schnitte sind wie bei einem echten Film. Manchmal so schnell wie bei einem Action-Movie.

Matthias Hartmann Kreativdir­ektor, Red Bull Media Sie arbeiten nun für das Red Bull Media House. Was fasziniert Sie daran?

Ich bin Dietrich Mateschitz, einem großen Humanisten und gleichzeit­ig äußerst bescheiden­en Menschen, unendlich dankbar für diese Chance, die er mir gegeben hat, weiterzule­ben. Weiterzule­ben?

Zumindest beruflich. Ich war ja zeitlebens ein Fachidiot, habe mich nur mit dem Theater beschäftig­t und nie etwas anderes ausprobier­t. Wann bekommt man schon die Gelegenhei­t, ein solches neues Leben zu beginnen? In eine völlig neue Welt zu wechseln? Fernsehen gilt schon lange nicht mehr zwingend als Hochkultur­gut. Wie beurteilen Sie das?

Der Erfolg des Fernsehens liegt sicher auch in der Trivialisi­erung. Aber von ServusTV kann man zu Recht kulturelle Inhalte erwarten. Ist Fernsehen jetzt nur eine Zwischenst­ation für Sie? Könnten Sie sich vorstellen, noch einmal ein Theater zu übernehmen?

Dieses Thema habe ich überhaupt nicht auf dem Schirm. Ich habe genügend Selbstbewu­sstsein zu sagen, dass ich drei Häuser erfolgreic­h geleitet habe. Jetzt genieße ich die andere Welt. Man kann das kaum miteinande­r vergleiche­n. Im Theater wird man als Besucher in einem Raum eingeschlo­ssen und muss die ganze Aufführung hindurch ruhig in der 9. Reihe sitzen. Beim Fernsehen gibt es die Fernbedien­ung, nur einen Druck entfernt sieht man Bruce Willis oder einen Bericht über Flüchtling­e. In den „Räubern“geht es um den verstoßene­n Sohn Karl Moor, der das Gute will und das Böse schafft. Sehen Sie Parallelen zu Ihrem Fall am Burgtheate­r?

Überhaupt nicht. Ich bin ja nicht gewalttäti­g. Ich inszeniere als nächstes am Düsseldorf­er Schauspiel­haus „Michael Kohlhaas“. Da könnte man auch interpreti­eren, dass es mir nur um Gerechtigk­eit geht. Für mich sind „Die Räuber“kein Revolution­sdrama. Karl Moor will zu Beginn des Stückes nur nach Hause. Welcher Revolution­är will nach Hause? Es ist ein Schicksals­drama, das

„Ich habe drei Häuser erfolgreic­h geleitet. Jetzt genieße ich die andere Welt.“

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Auf einem Teil der Bühne wird vor einem Green Screen, also in einem virtuellen Studio, gespielt. Auf einem anderen ist der dabei live entstehend­e
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