Niqab-Verbot würde Tourismus schaden
Branche fürchtet negative Auswirkungen auf Fremdenverkehr – arabische Gäste könnten ausbleiben
In Wien und in Salzburg sind etliche Unternehmer auf arabische Gäste spezialisiert
Freitagvormittag am Wiener Stephansplatz: Tausende Touristen tummeln sich auf der Kärntner Straße. Selten tragen Frauen Niqab ( Gesichtsschleier), noch seltener Burka (eine Vollverschleierung des Körpers). Vor dem Dom steht ein junger Mann mit dunklem Teint: „Haare sind die Herrlichkeit der Frau und sie ist nur für den einen Mann bestimmt. Beim Beten sollten Frauen ihr Haar verhüllen“, meint er. Er ist kein Muslim, sondern ein bibelfester Christ, der eine Broschüre verteilt und in religiösen Belangen für Selbstbestimmung plädiert.
Burka- und Niqab-Verbot sind ein Thema, mit dem Politiker gerne das Sommerloch stopfen. Touristiker bringen sie damit auf die Palme, geht es doch um ein besonders kaufkräftiges Klientel. Doch was sagen jene, über die so hitzig diskutiert wird? Eine Frau im Niqab lässt sich die Frage nach ihrer Meinung über die lokale Debatte von ihrer Tochter ins Arabische übersetzen. Sie zuckt mit den Schultern und geht weiter. Eine andere arabische Touristin hat eine Meinung dazu: „Das ist unsere Religion, unsere Tradition. Bitte respektiert das“, sagt die Frau, die zu ihrem Niqab eine modische Brille trägt. In der Kärntner Straße erklären drei Frauen von der arabischen Halbinsel die Vorzüge ihrer Kleidung. Man sehe ihr Haar nicht, sie sei angenehm zu tragen, erzählen sie.
Rund 200.000 Touristen aus dem arabischen Raum kommen jedes Jahr nach Wien – österreichweit sind es mehr als 400.000. Den Jubel über jährliche Zuwachsraten bei der kaufkräftigen Klientel im zweistelligen Pro- zentbereich trübte zuletzt die Forderung von Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) nach einem Burka- und Niqab-Verbot. Denn ein solches würde vorwiegend Touristinnen betreffen – in Österreich gehen Schätzungen lediglich von bis zu 150 Frauen aus, die einen Niqab tragen.
Unverständnis
Ratlosigkeit herrscht deswegen bei Norbert Kettner, Geschäftsführer von Wien Tou- rismus: „Ich tue mir schwer, die tourismuspolitische Überlegung dahinter zu erkennen.“Kettner spricht von einem „Köpfler ins populistische Meer“, der „für den Tourismus einen Bauchfleck“bedeute. Er fürchtet um Österreichs Ruf als tolerantes, weltoffenes Land. „Wir haben alle die Bilder vom ,Burkini-Hunting‘ am Strand von Nizza im Kopf – so etwas geht um die Welt.“Er will sich trotz der Diskussionen weiterhin ak- tiv um Gäste aus dem arabischen Raum bemühen.
Am Zeller See im Pinzgau war der Burkini nie ein Thema. Die Boote mit den arabischen Gästen sind Anfang September merklich weniger geworden. Die Hauptsaison ist zu Ende. Langsam kehrt Ruhe ein. Ruhe, die sich die Touristiker in der Bergstadt nicht mit der Diskussion um ein mögliches Verbot von Niqab und Burka stören lassen wollen.
Schlechte Erfahrungen habe man in der Vergangenheit mit negativer Presse gemacht, sagt ein Hotelier aus Zell am See. Von einem NiqabVerbot hält er nichts. „Das wäre so, als würde maneinemTiroler in der Türkei die Lederhose verbieten.“Auch von offizieller Seite will niemand eine Stellungnahme abgeben – die Touristiker hüllen sich lieber in Schweigen.
Harald Bruckner hält mit seiner Meinung nicht hinter dem Berg. Der Wiener hat vor rund 20 Jahren das Hotel Neue Post in Zell am See übernommen. Davor war er für einen US-Elektronikkonzern im arabischen Raum tätig. Im Sommer komme ein Drittel seiner Gäste aus arabischen Ländern, im August sogar die Hälfte. „Für uns sind die Araber im Sommer eine wichtige Gästegruppe. Auch wenn das vielleicht niemand so sagen will: Wir haben uns darauf spezialisiert“, sagt Bruckner.
Weitreichende Folgen
An ein Verbot, wie es Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) vorgeschlagen hat, glaubt er nicht: „Ich denke, das ist Populismus. Das ist eine FPÖ-Diktion, etwas fürs Volk.“Bruckner fragt sich, wie so ein Gesetz exekutiert werden sollte. „Ist dann ein Gesichtsschutz beim Skifahren auch verboten?“Für die Tourismusregion wäre es jedenfalls fatal, meint der Hotelier. Immerhin sind die arabischen Urlauber, an den Nächtigungen gemessen, nach den Deutschen die wichtigste Gästegruppe in der Region Zell am See/Kaprun.