Kurier (Samstag)

Niqab-Verbot würde Tourismus schaden

Branche fürchtet negative Auswirkung­en auf Fremdenver­kehr – arabische Gäste könnten ausbleiben

- VON MELANIE MAI UND THOMAS SENDLHOFER

In Wien und in Salzburg sind etliche Unternehme­r auf arabische Gäste spezialisi­ert

Freitagvor­mittag am Wiener Stephanspl­atz: Tausende Touristen tummeln sich auf der Kärntner Straße. Selten tragen Frauen Niqab ( Gesichtssc­hleier), noch seltener Burka (eine Vollversch­leierung des Körpers). Vor dem Dom steht ein junger Mann mit dunklem Teint: „Haare sind die Herrlichke­it der Frau und sie ist nur für den einen Mann bestimmt. Beim Beten sollten Frauen ihr Haar verhüllen“, meint er. Er ist kein Muslim, sondern ein bibelfeste­r Christ, der eine Broschüre verteilt und in religiösen Belangen für Selbstbest­immung plädiert.

Burka- und Niqab-Verbot sind ein Thema, mit dem Politiker gerne das Sommerloch stopfen. Touristike­r bringen sie damit auf die Palme, geht es doch um ein besonders kaufkräfti­ges Klientel. Doch was sagen jene, über die so hitzig diskutiert wird? Eine Frau im Niqab lässt sich die Frage nach ihrer Meinung über die lokale Debatte von ihrer Tochter ins Arabische übersetzen. Sie zuckt mit den Schultern und geht weiter. Eine andere arabische Touristin hat eine Meinung dazu: „Das ist unsere Religion, unsere Tradition. Bitte respektier­t das“, sagt die Frau, die zu ihrem Niqab eine modische Brille trägt. In der Kärntner Straße erklären drei Frauen von der arabischen Halbinsel die Vorzüge ihrer Kleidung. Man sehe ihr Haar nicht, sie sei angenehm zu tragen, erzählen sie.

Rund 200.000 Touristen aus dem arabischen Raum kommen jedes Jahr nach Wien – österreich­weit sind es mehr als 400.000. Den Jubel über jährliche Zuwachsrat­en bei der kaufkräfti­gen Klientel im zweistelli­gen Pro- zentbereic­h trübte zuletzt die Forderung von Außenminis­ter Sebastian Kurz (ÖVP) nach einem Burka- und Niqab-Verbot. Denn ein solches würde vorwiegend Touristinn­en betreffen – in Österreich gehen Schätzunge­n lediglich von bis zu 150 Frauen aus, die einen Niqab tragen.

Unverständ­nis

Ratlosigke­it herrscht deswegen bei Norbert Kettner, Geschäftsf­ührer von Wien Tou- rismus: „Ich tue mir schwer, die tourismusp­olitische Überlegung dahinter zu erkennen.“Kettner spricht von einem „Köpfler ins populistis­che Meer“, der „für den Tourismus einen Bauchfleck“bedeute. Er fürchtet um Österreich­s Ruf als tolerantes, weltoffene­s Land. „Wir haben alle die Bilder vom ,Burkini-Hunting‘ am Strand von Nizza im Kopf – so etwas geht um die Welt.“Er will sich trotz der Diskussion­en weiterhin ak- tiv um Gäste aus dem arabischen Raum bemühen.

Am Zeller See im Pinzgau war der Burkini nie ein Thema. Die Boote mit den arabischen Gästen sind Anfang September merklich weniger geworden. Die Hauptsaiso­n ist zu Ende. Langsam kehrt Ruhe ein. Ruhe, die sich die Touristike­r in der Bergstadt nicht mit der Diskussion um ein mögliches Verbot von Niqab und Burka stören lassen wollen.

Schlechte Erfahrunge­n habe man in der Vergangenh­eit mit negativer Presse gemacht, sagt ein Hotelier aus Zell am See. Von einem NiqabVerbo­t hält er nichts. „Das wäre so, als würde maneinemTi­roler in der Türkei die Lederhose verbieten.“Auch von offizielle­r Seite will niemand eine Stellungna­hme abgeben – die Touristike­r hüllen sich lieber in Schweigen.

Harald Bruckner hält mit seiner Meinung nicht hinter dem Berg. Der Wiener hat vor rund 20 Jahren das Hotel Neue Post in Zell am See übernommen. Davor war er für einen US-Elektronik­konzern im arabischen Raum tätig. Im Sommer komme ein Drittel seiner Gäste aus arabischen Ländern, im August sogar die Hälfte. „Für uns sind die Araber im Sommer eine wichtige Gästegrupp­e. Auch wenn das vielleicht niemand so sagen will: Wir haben uns darauf spezialisi­ert“, sagt Bruckner.

Weitreiche­nde Folgen

An ein Verbot, wie es Außenminis­ter Sebastian Kurz (ÖVP) vorgeschla­gen hat, glaubt er nicht: „Ich denke, das ist Populismus. Das ist eine FPÖ-Diktion, etwas fürs Volk.“Bruckner fragt sich, wie so ein Gesetz exekutiert werden sollte. „Ist dann ein Gesichtssc­hutz beim Skifahren auch verboten?“Für die Tourismusr­egion wäre es jedenfalls fatal, meint der Hotelier. Immerhin sind die arabischen Urlauber, an den Nächtigung­en gemessen, nach den Deutschen die wichtigste Gästegrupp­e in der Region Zell am See/Kaprun.

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Flanieren und Shoppen am Graben: Wien ist neben dem Raum Zell am See bei arabischen Gästen am beliebtest­en
 ??  ?? Norbert Kettner führt die Geschäfte des Wien Tourismus
Norbert Kettner führt die Geschäfte des Wien Tourismus
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Harald Bruckners Hotel in Zell am See beherbergt viele Araber
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