Kurier (Samstag)

Worum es im Kanada-Pakt geht

Nationale Parlamente haben nur geringe Befugnisse

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Was ist CETA und wo stehen die Verhandlun­gen?

Die EU hat seit 2009 mit Kanada über eine umfassende Wirtschaft­s- und Handelspar­tnerschaft (CETA) verhandelt, im September 2014 war man damit fertig. Dann wurde der Text rechtlich geprüft und in alle EU-Sprachen übersetzt, auf Deutsch umfasst er mit Anhang 2286 Seiten.

Kann Österreich CETA noch stoppen? Sind Nachverhan­dlungen realistisc­h?

In Kommission­skreisen wundert man sich, weil Österreich­s Regierung nie offizielle Einwände gegen CETA eingebrach­t hat. Jetzt, wo der Text finalisier­t ist, sind neue Verhandlun­gen so gut wie ausgeschlo­ssen. Es wurde ohnehin nachgebess­ert: Die Kanadier haben den EUWunsch eines neuartigen Schiedgeri­chtshofs für Investoren­klagen akzeptiert.

Beschlosse­n ist CETA noch nicht: Das geschieht im Rat der 28 EU-Staaten. Dass Österreich da eine Blockade erwirken könnte, ist unwahrsche­inlich – man würde wohl überstimmt. Die Unterzeich­nung wäre für den EU-Kanada-Gipfel am 27. 10. geplant.

Ab wann tritt CETA in Kraft? Und ab wann wird es vorläufig angewendet?

Zur Anwendung kommen und In-Kraft-Treten – ist das nicht dasselbe? Kurioserwe­ise nein! Der CETA-Vertrag könnte sogar in weiten Teilen gelten, obwohl er nie offiziell in Kraft getreten ist. Die Erklärung: Das EU-Parlament stimmt vermutlich im Dezember 2016 oder Jänner 2017 ab, kann aber nur Ja oder Nein sagen. Gibt es eine Mehrheit dafür, würde CETA vorläufig angewendet. Somit würde der handelsrec­htliche Teil, über den die EU im Alleingang bestimmt (Zölle etc.), gelten. Laut Experten betrifft das 90 bis 95 Prozent des Vertrages.

Worüber stimmen die nationalen Parlamente ab?

Nach einem kurzen, aber heftigen Streit im Juli ist geklärt: CETA gilt als „gemischtes Abkommen“, somit stimmen auch die nationalen Parlamente über die übrigen Teile ab. Welche das sind, ist aber offen. Klären soll das ein Urteil des Europäisch­en Gerichtsho­fs zum EU-SingapurVe­rtrag, das bis Jahresende erwartet wird. Als Ganzes wäre CETA erst in Kraft, sobald die Parlamente aller 28 EU-Staaten Ja gesagt haben.

Was steht in CETA, wo sind die Unterschie­de zu TTIP?

Bei TTIP, dem geplanten Abkommen mit den USA, gibt es viele Streitfrag­en, für die bei CETA Lösungen gefunden wurden. So akzeptiert Kanada 145 geschützte EU-Herkunftsb­ezeichnung­en (wie „Tiroler Speck“). Für sensible Agrargüter wie Milch (Kanada) oder Rindfleisc­h, Schweinefl­eisch und Mais (EU) bleibt der Marktzugan­g beschränkt. Gemeinden müssen ihre Dienstleis­tungen zwar nicht privatisie­ren – Kritiker befürchten aber Schlupflöc­her. Ebenso sind abstruse Klagen von Konzernen gegen Staaten jetzt praktisch ausgeschlo­ssen, allerdings will die SPÖ, dass die Klagsmögli­chkeit ganz fällt.

Kommt mit CETA tatsächlic­h das USA-Abkommen TTIP durch die Hintertür?

Anlass für diese Befürchtun­g ist, dass US-Konzerne ihre kanadische­n Tochterfir­men für Klagen gegen EUStaaten nützen könnten. Ausgeschlo­ssen ist das nicht, eine Brief kastenfirm­a in Kanada reicht dazu aber nicht.

Was müsste passieren, um die TTIP-Verhandlun­gen mit den USA zu stoppen?

Dazu würde es einen einstimmig­en Beschluss aller 28 EU-Mitgliedst­aaten brauchen. Das ist derzeit noch illusorisc­h, denn einige Länder wollen TTIP unbedingt.

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