Kurier (Samstag)

Kriminalis­ten prüfen Wahlkuvert­s

Defekte Klebestrei­fen. Ursache unklar, hektische Ursachenfo­rschung

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Offiziell herrscht absolute Nachrichte­nsperre – weder das Innenminis­terium noch die Druckerei „kbprintcom.at“wollen etwas darüber sagen, warum bei Hunderten Wahlkarten offenkundi­g der Kleber nicht tut, was er tun sollte, nämlich: das Kuvert (im Fachjargon: Tasche) zusammenha­lten.

Die Druckerei ist aus gutem Grund total schweigsam. Zum einen ist sie vertraglic­h zur Verschwieg­enheit verpflicht­et. Bei Druckereie­n, die staatliche Dokumente und Urkunden wie Reisepässe herstellen gelten noch strengere Maßstäbe als bei „normalen“Vertragsne­hmern der öffentlich­en Hand.

Im konkreten Fall halten sich Druckerei und Innenminis­terium aber auch deshalb zurück, weil die Frage der Ursache bzw. Schuld mit Haftungen in Millionenh­öhe verbunden ist (neuerliche­r Druck aller Wahlkarten, Regress der betroffene­n Wahlwerber, etc.) – und weil man schlicht noch nicht weiß, woran’s liegt, dass Hunderte, wenn nicht Tausende Wahlkarten bei der Auslieferu­ng schadhaft waren.

Liegt’s an der Routine der Druckerei? Mitnichten. Seit 2008 werden de facto alle Wahlkarten in diesem Unternehme­n hergestell­t. Es hat ein Patent und gilt als einzige Druckerei im Land, die die komplizier­t konstruier­ten Kuverts herstellen kann (die Druckmasch­ine hat die Größe eines durchschni­ttlichen Turnsaales).

Liegt’s an einem neuen Kleber, oder – wie zuletzt auch vermutet – an einer veränderte­n Ausschreib­ung bei der Herstellun­g der Wahlkarten? „Die Ausschreib­ung wurde nicht verändert“, sagt ein Insider aus dem Ministeriu­m. „Eigentlich sollten die Wahlkarten exakt unter denselben Bedingunge­n hergestell­t worden sein, wie in den vorangegan­genen Wahlgängen und den Jahren zuvor.“

Kuverts lösen sich auf

Aufgrund der Sensibilit­ät der Situation prüfen am Wochenende Forensiker des Bundeskrim­inalamtes und Chemiker in der Druckerei selbst, was chemisch passiert ist, dass nun die Kuverts auseinande­rfallen.

Das BK geht nicht von einer vorsätzlic­hen Manipulati­on aus, will aber eine zusätzlich­e Meinung zu den Experten der Druckerei einholen – sicher ist sicher.

Im Ministeriu­m heißt es, die Wahlkarten würden nun technisch komplett „aufgearbei­tet“: „Das bedeutet, dass wir das Papier, den Kleber, das Zusammensp­iel der beiden, die mechanisch­e Falzung und letztlich auch die Reaktion auf Hitze und Luftfeucht­igkeit prüfen müssen“, sagt ein Ministeriu­msmitarbei­ter. Dass all diese Fragen bis Montag geklärt sind, gilt als unwahrsche­inlich.

UHU-Gate

Interessan­t ist die Einschätzu­ng von Patrick Grafl, seines Zeichens Ansprechpa­rtner bei der Österreich­ischen Kuvertindu­strie. Laut Grafl ist das Wahlkuvert der Bundespräs­identenwah­l kein „richtiges“, sondern eine abgespeckt­e Lösung, bei der drei Schichten Papier verklebt werden. Bei einem „richtigen“Kuvert würden zusätzlich die Ränder gefaltet und gestanzt – was für eine höhere Festigkeit sorgen soll. Das Wahlkuvert hingegen sei „weder Fisch noch Fleisch“.

In den sozialen Medien ließ die Häme nicht auf sich warten: Auf Twitter wurde der Produktion­sfehler „UHUGate“genannt – man möge den gleichnami­gen Kleber doch jedem Bürger mit der Wahlkarte mitschicke­n, dann könne problemlos gewählt werden.

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