Hausherr deckt Mieter mit Klagen ein
Gericht lehnte saftige Mieterhöhung ab, nun soll der Bewohner 44.000 Euro Entschädigung zahlen
Für Andreas Schlesinger wurde die selbst renovierte Mietwohnung zur Klagsfalle: Ein Sieg des Hausbesitzers vor Gericht wäre für ihn existenzbedrohend
Es ist ein Häuserkampf der anderen Art: Wenn Hausbesitzer Mieter mittels Schikanen vertreiben wollen – meist mit demZiel, die Wohnung danach deutlich teurer zu vermieten oder zu verkaufen. Auch der Wiener Andreas Schlesinger fürchtet, sein Vermieter habe derlei Ambitionen: „Im März kam eine Klage, laut der ich ausziehen und 44.000 Euro für die Benützung der Wohnung nachzahlen soll. Das wäre existenzbedrohend.“Der Hausbesitzer kontert, Schlesingers niedrige Miete würde kaum mehr als die Betriebskosten decken.
Der Mieterschutz der Stadt Wien geht davon aus, dass es in Wien jährlich etwa 30 Fälle gibt, in denen Mieter Opfer von Spekulation werden. Auch die Mietervereinigung erhält immer wieder Beschwerden von Betroffenen: „Manche Hausbesitzer gehen so weit, dass sie Wasser und Strom abdrehen, den Müll nicht mehr abholen lassen oder sogar Fäkalien vor die Tür legen“, sagt Elke HanelTorsch, Vorsitzende der Mietervereinigung. „Andere Hausbesitzer üben psychischen Druck aus – etwa, indem sie Mieter verklagen.“
Mietvertrag in Schilling
Auch Schlesinger sagt, dass sein Vermieter auf diese Weise Druck ausübe: Er zog im Jahr 1995 in das Haus in der Gottschalkgasse 15 in WienSimmering. „Den Mietvertrag habe ich mit der damaligen Hausbesitzerin abgeschlossen“, erzählt er. Die Miete, damals noch in Schilling, betrug umgerechnet 187 Euro.
2004 wurde das Haus verkauft. „Zuerst erhöhte der neueBesitzer schrittweise die Miete um jeweils zehn oder zwanzig Euro. Da habe ich mich nicht beschwert“, erklärt er. Die Höheder Monatsmiete stieg langsam, im Jahr 2012 lag sie bei 242 Euro. „Und dann kam der Knaller: Ende Dezember hieß es, ich solle ab Jänner monatlich 681,46 Euro bezahlen.“Schlesingers Konsequenz? „Wir sind zum Bezirksgericht gegangen.“2014 kam der Fall zum Landesgericht und schließlich zum Obersten Gerichtshof.
„Jede Instanz hat uns recht gegeben: Die Mieterhöhung war unzulässig. Ich dachte, ich habe Grund zu feiern“, sagt Schlesinger. Bis im März 2016 erneut eine Klage eintraf – mit der Forderung nach 44.000 Euro. „Darin behauptet der Hausbesitzer sinngemäß, der Mietvertrag sei nichtig, da es eine zu große Diskrepanz zwischen Leistung und Gegenleistung gebe.“Schlesinger ist besorgt: „Ich sitze auf einem Pulverfass. Als Selbstständiger bekomme ich keinen Kredit in dieser Höhe.“Außer ihm seien vier andere Mieter im Haus betroffen.
Ronald Schlesinger, Leiter des Mieterschutzes der Stadt Wien (mit Andreas Schle
singer nicht verwandt, Anm.), kündigt an, für die Bewohner des Hauses eine Info-Veranstaltung zu organisieren: „Wir müssen diesen Fall erst prüfen. Aber es ist eine Methode mancher Besitzer, Gerichtsverfahren mutwillig anzuzetteln. Auch wenn sie kaum eine Chance haben, zu gewinnen. Es geht darum, die Mieter unter Druck zu setzen.“
„Fühle mich enteignet“
Der Hausbesitzer – er möchte seinen Namen nicht in der Zeitung lesen – gab auf Nachfrage des KURIER an, die Konfliktsituation belaste ihn ebenfalls: „Wenn ich von den niedrigen Mieten die Betriebskosten wegrechne, bleiben zirka 30 Euro übrig“, erklärt er. Er habe 900.000 Euro in die Sanierung des Hauses gesteckt – das sei so nicht rentabel.
Der Hausherr kritisiert das Mietrecht: „So zahlen die Mieter in tausend Jahren immer noch keine höhere Miete.“Er fühle sich „enteignet“. Er könne aber auch die Situation des Mieters verstehen: „Ich hätte an seiner Stelle wohl auch so reagiert.“Ob er einer außergerichtlichen Lösung abgeneigt wäre? Sicher, das wäre eine Möglichkeit, sagt der Hausbesitzer.
Mieter Schlesinger wiederum behauptet: Er habe bereits angeboten, eine höhere Miete von 300 oder 350 Euro zu zahlen – ohne Erfolg.