Kurier (Samstag)

Ein „cooler“Flug zur Raumstatio­n

- VON SANDRA LUMETSBERG­ER

Franz Viehböck, Österreich­s einziger Astronaut, erinnert sich an seine All-Mission.

KURIER: Als Sie 1991 in Kasachstan gelandet sind, haben Sie sofort gesagt, dass Sie wieder rauf wollen. Warum?

Franz Viehböck: Das ist jetzt vielleicht nicht nett, aber, da ging die Luke auf und ich sah einen Haufen Journalist­en. Und dachte mir, das gibt es nicht. Da hatte ich das Verlangen, mit dem Hubschraub­er zum Startgelän­de zu fahren und mit der nächsten Rakete raufzuflie­gen. (lacht) Wie war es, plötzlich berühmt zu sein?

Damals war mir das alles nicht so bewusst. Während der Kosmonaute­n-Ausbildung haben wir abgeschied­en im Sternenstä­dtchen nahe Moskau gelebt. Es gab zuvor ein paar Interviews, aber was danach kam, war heftig. Werden Sie heute noch auf der Straße angesproch­en?

Es passiert ab und zu. Ich finde das auch schön. Aber damals war es störend. Wenn ich in ein Restaurant ging, gab es keine Privatsphä­re. Aber Sie haben sich damals auf die Ausschreib­ung beworben.

Wenn man jung ist, hat man diesen Abenteuerg­eist in sich. Ich reise gerne und habe als Student jeden Sommer woanders verbracht. Zudem war ich gesund und dachte, das mache ich jetzt. Zwei Jahre zuvor explodiert­e das NASA-Space-Shuttle Challenger mit allen Astronaute­n an Bord. Keine Angst?

Als Techniker versucht man, das Risiko, so gut es möglich ist, abzuschätz­en. Deshalb habe ich während der Ausbildung diese Themen hinterfrag­t. Was ist, wenn der Sauerstoff knapper wird? Welche Escape-Möglich-

keiten gibt es? Ich habe Sicherheit gewonnen, weil alles gut durchdacht war. Aber ich habe einen Moment gehabt, vier Minuten vor Start, da war ich alleine in einem Raum und bekam panische Angst. Ich habe gewusst, dass ich Vater werde und dachte, ich sehe meine Tochter nicht mehr. Ich bin dann raus aus dem Zimmer und habe geschaut, dass ich unter Leute komme. Am 2. Oktober 1991 sind Sie aber doch abgehoben.

Man ist fokussiert, steigt ein und positionie­rt sich. Ich war angespannt und nervös. Wenn uns damals einer gefragt hätte, wie viel ist zwei plus zwei, hätten wir es nicht gewusst. (lacht) Naja, und dann in der Startphase wird man in die Liegeschal­e gedrückt und es geht hinauf. Das ist eine dreistufig­e Rakete. Wenn die erste Stufe ausgebrann­t ist, wird sie weggespren­gt, da kommt es zu einem schlagarti­gen Abbruch des Schubes. Dann gibt es ein Sicherheit­ssystem, das die Kapsel mit der Crew wegsprengt, ein harter Schlag.

Ich hatte ein ungutes Gefühl. Nach weniger als neun Minuten kommt ein Stoß, wie ein Tritt in den Hintern: Dann ist manim Orbit, schwerelos, und umkreist die Erde mit 28.000 Kilometer pro Stunde. Und wie fühlt sich das an? Heute würde man sagen: „Cool“. Sie haben auf der Raumstatio­n weder Tag noch Nacht erlebt.

Dadurch, dass man so schnell fliegt, umkreist man die Erde in neunzig Minuten. In 24 Stunden erlebt man 16mal Tag und Nacht. Das störte nicht, wir haben nach Moskauer Zeit gelebt. Wenn es dunkel sein soll, zieht man die Jalousien runter. Und wenn man raussieht? Wie ist der Blick auf die Erde?

Fasziniere­nd, aber mit ein paar Macken, die zu denken geben. Man sieht, wie der Mensch den Planeten ruiniert. Ich war nach dem Golfkrieg oben, wo in Kuwait die Ölfelder gebrannt haben. Da sieht man grau-braune Flüsse, die in einen türkisen Oze-

an fließen. Oder das Abbrennen der Urwälder in Brasilien, wir haben die Flammen wegen des Windes gesehen. Investoren wie Elon Musk stecken Milliarden in MarsflugPr­ojekte. Musk spricht sogar von einer Kolonie. Brauchen wir eine zweite Erde?

Da sollten wir uns eher den Kopf zerbrechen, wie wir unsere Erde erhalten. Dass man zum Mars fliegt, ist okay. Wie Astronaute­n dort leben, wurde erst kürzlich auf Hawaii simuliert. Obwohl wir noch nicht einmal wissen, wie wir zum Mars kommen ...

Je mehr man im Vorfeld von so einer großen Mission simulieren und erproben kann, umso weniger Überraschu­ngen erlebt man oben. Primär geht es um den Menschen, und ob er die Strahlung aushalten würde. Wann werden die ersten Menschen zum Mars fliegen?

2030, plus oder minus ein paar Jahre. Den Astronaute­n oder die Astronauti­n, die hinfliegen, gibt es schon.

Die NASA testet längst, wie sich Langzeitmi­ssionen auf den Körper auswirken. Wie ging es Ihnen nach Ihrem Raumflug? (Er kehrte nach 7 Tagen, 22 Stunden zurück auf die Erde, Anm.)

Es ist eine enorme körperlich­e und psychische Belastung, aber mir ist es danach gut gegangen. Ich hatte Kopfschmer­zen, vier, fünf Tage lang. Manche müssen sich ständig übergeben, weil die Orientieru­ng fehlt. Oder sie müssen das Gehen wieder lernen.

Das war bei mir nicht so. Bei Langzeitfl­ügen ist das unterschie­dlich. Das hat Einfluss auf Körper, Immunsyste­m und Knochenhär­te. Ich habe gegen Ende meines Fluges das Laufband probiert. Dabei hat mir die Fußsohle extrem wehgetan, wie Nadelstich­e, denn die ganze Hornhaut war weg. Bisher sind Sie der erste und einzige Österreich­er, der so etwas erlebt hat. Warum gibt es keinen weiteren Astronaute­n?

Das ist ein politische­s Thema. Die bemannte Raumfahrt ist ein freiwillig­es Programm. Österreich hat sich entschiede­n, nicht mitzumache­n. Warum, weiß ich nicht. Apropos Politik. Konflikte zwischen Staaten werden im All scheinbar nicht ausgetrage­n. Auf der Internatio­nalen Raumstatio­n ISS arbeiten alle friedlich zusammen?

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 ??  ?? Jubiläum. Vor 25 Jahren flog Franz Viehböck in den Weltraum. Er ist Österreich­s erster und bis heute einziger Astronaut.
Jubiläum. Vor 25 Jahren flog Franz Viehböck in den Weltraum. Er ist Österreich­s erster und bis heute einziger Astronaut.
 ??  ?? Franz Viehböck fliegt 1991 mit zwei anderen Kosmonaute­n an Bord dieser Sojus-Trägerrake­te zur Raumstatio­n „Mir“, dem Außenposte­n der Menschheit im Weltraum (siehe Bilder oben)
Franz Viehböck fliegt 1991 mit zwei anderen Kosmonaute­n an Bord dieser Sojus-Trägerrake­te zur Raumstatio­n „Mir“, dem Außenposte­n der Menschheit im Weltraum (siehe Bilder oben)
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