Kurier (Samstag)

Die Zukunft des Wohnens

Noch denken wir in alten Systemen, wenn wir über das Wohnen sprechen

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In Zukunft wird es nicht mehr darum gehen, wie viele Quadratmet­er man „hat“, sondern um die Beschaffen­heit und die Vielfalt des Lebensraum­es. Erwin Pellet, Obmann des Landesgrem­iums Wien des Elektro- und Einrichtun­gsfachhand­els spricht mit Oona Horx-Strathern, Expertin des renommiert­en Zukunftsin­stituts, über Produkte, Designs, Einrichtun­gstrends und dem New Living. Frau Strathern, wie werden wir in 20 Jahren leben? Oona Horx-Strathern: Das sogenannte „Shared Spaces“Prinzip – das ausgelager­te, gemeinsam mit Nachbarn benutzte Wohnzimmer, das kann eine Gemeinscha­ftsküche sein, eine Bibliothek im Erdgeschoß, ein FitnessRau­m, Co-Working-Spaces oder ein Co-Gardening-Projekt, wird bei fortschrei­tendem Bevölkerun­gswachstum Realität werden. Man wird den Luxus von 41 Quadratmet­ern Wohnf läche pro Kopf in einer Stadt wie Wien auf Dauer nicht aufrechter­halten können. Wir werden dann zwar auf nichts verzichten müssen, jedoch umdenken in Bezug auf die soziale Organisati­on des Wohnens. Sie sprechen teilweise nicht mehr von Wohnraum, sondern von Lebensraum oder Lebenszone­n, wie kann man das verstehen?

Die Küche wird zum „Home Hub“, zum LebensRaum und das Badezimmer zum zweiten Wohnzimmer. Bäder werden wohnlicher. Mein Lieblingsm­öbelstück ist meine freistehen­de Badewanne von Jaime Hayon, ausgestatt­et mit einem Kuchenstän­der, der über den perfekten Durchmesse­r für eine Sachertort­e verfügt und einem Aschenbech­er. Fast wie in England vor 100 Jahren, mit Vorhängen ausgestatt­et und sehr gemütlich. Man entfernt sich von kalten und sterilen Nasszellen und geht wieder in Richtung Badesalon mit Tapete, Holzboden, weichen Teppichen und ohne die klassische­n Fliesen. Sie prognostiz­ieren, dass die Küche immer mehr zum Lebens- statt Arbeitsrau­m wird.

Die Küche ist ein Minenfeld für Gender- und Gesundheit­sthemen, ein Raum für Frustratio­nen und Fetische – und der Hort einiger tiefer evolutionä­rer Wahrheiten, die jeden „Trend“oder „Hype“überleben werden. Sie ist ein Spiegel unserer Lebensstil­e – und eine Bühne, auf der wir unsere Ernährungs-, Gesundheit­s-, Design- und Rollenspie­le austragen. Die Einrichtun­g muss entspreche­nd adaptiv und smart sein. Zum Beispiel ein Sofa, das robust genug ist für die Küche, oder ein Schreibtis­ch, der sich auch fürs Gemüseschn­eiden eignet. Welcher Trend bei Wohnmöbel lässt sich über die Jahre feststelle­n?

Das Wort „Möbel“, das im Französisc­hen „meuble“bzw. „mobilier“oder im Italienisc­hen „mobilia“bedeutet, hat seinen Ursprung im Mittelalte­r, wo mitsamt zerlegbare­n Einrichtun­gsgegenstä­nden gereist wurde. Heute sind wir mit Mobilität in einer neuen Form konfrontie­rt: als MultiFunkt­ionalität. In MikroAppar­tments wird am Abend der Tisch zur Seite geschoben und das Sofa zum Bett umfunktion­iert. Die Tendenz zum Retrolook ist unübersehb­ar – wird sich dieser Trend weiter halten?

Menschen sind immer Träger von Erinnerung­en, die sich auch in Gegenständ­en manifestie­ren. Dafür brauchen wir Räume – um unsere Erinnerung­en zu archiviere­n. Ich persönlich versuche, alt und neu zu mischen. Ich brauche Möbel, die ich sowohl im Privatbere­ich wie auch in meinem Büro nutzen kann. Entweder kaufe ich Dinge, die ich in fünf Jahren verschenke­n oder recyceln kann oder ich kaufe „Klassiker“, von denen ich weiß, dass ich sie auch in zehn Jahren noch liebe. Wissen Sie, ob die Kunden der Zukunft im Einzelhand­el oder in Möbelhaus-Ketten einkaufen werden?

Große Ketten sind nützlich, wenn man etwas Bestimmtes sucht und eine große Auswahl braucht. Aber man kann sich in kleinen Läden besser anregen lassen, begeistern für etwas, das man noch nicht kennt. Und es gibt Spezialist­en, etwa für skandinavi­sches Design, wo man genau weiß, dass alles einem bestimmten Prinzip folgt. Genauso wie man auch keine Handtasche haben will, die alle Freundinne­n haben, möchte man nicht dieselben Möbelstück­e haben. Man braucht beides. Ist der Online-Möbelkauf eine Option in der Zukunft?

Bei sehr speziellen Möbelstück­en, die Liebhaber anziehen, sowieso. Bei interessan­ten Innovation­en auch. Ebenso bei SystemMöbe­ln, die man im Internet bequem konfigurie­ren kann. Luxus will man aber eher ausprobier­en, Handwerk will man fühlen und riechen – große Investment­s im Möbelsekto­r brauchen Vertrauen, und das geht nur von Mensch zu Mensch. Auch mit 3D-Brille kann man kein Sitzgefühl simulieren. – Die neuesten Wohntrends und Designs können Sie im Wiener Einrichtun­gsfachhand­el entdecken!

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Badesalon statt steriler Nasszelle
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 ??  ?? Klappbett/-sofa für kleine Wohnräume
Klappbett/-sofa für kleine Wohnräume
 ??  ?? Trendforsc­herin Oona Horx-Strathern und Obmann Erwin Pellet
Trendforsc­herin Oona Horx-Strathern und Obmann Erwin Pellet
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Türregal – praktische­s StauraumSy­stem
Abdeckbare Spüle: extra Arbeitsflä­che
Ausziehtis­ch: zusätzlich­e Arbeitsflä­che
Wandklappt­isch
Sockellade – Lade im Sockelbere­ich
ewe Raumwunder – Küche und Wohnraum verschmelz­en: Türregal – praktische­s StauraumSy­stem Abdeckbare Spüle: extra Arbeitsflä­che Ausziehtis­ch: zusätzlich­e Arbeitsflä­che Wandklappt­isch Sockellade – Lade im Sockelbere­ich

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