„Im Zweifel für das Richtige“
Rede. Vizekanzler Reinhold Mitterlehner fordert von der ÖVP den Mut, gegen Populismus anzukämpfen.
Die Aula der Wissenschaften in der Wiener City füllte sich mit Forschern, Managern und allem, was in der ÖVP Rang und Namen hat. Landeshauptmann Erwin Pröll analysierte im ZIB-Interview die Fehler der Koalition („Die SPÖ hat einen Linksruck gemachtund lässt zu viel Ideologie in die Tagesthemen einfließen“). Vor der Tür demonstrierten die Neos gegen die Gewerbeordnung. Und Kanadas Botschafter Mark Bailey ehrte jene Partei mit seinem Besuch, die am tapfersten für das Handelsabkommen mit seinem Land kämpft.
Anlass für all den Trubel war eine Rede von Vizekanzler Reinhold Mitterlehner. Der ÖVP-Chef hatte angekündigt, über Wirtschaftspolitik und nicht über Tagespolitik zu sprechen. Daher, so sagte er zu Beginn, „werden Sie von mir kein Simmering gegen Kapfenberg erleben, keine Beschreibung, wie es uns in der Bundesregierung geht“.
Mitterlehner fasste die Abgrenzung der ÖVP von den anderen Parteien weiter. „Es gibt eine Kongruenz zwischen links und rechts gegen die Globalisierung. Man glaubt, mit Protektionismus und völkischer Abschottung die Dinge aufhalten zu können.“Linke und Rechte würden dabei mit populistischen Parolen agieren, statt Fakten würden „gefühlte Wahrheiten“in den Vordergrund geschoben. Mitterlehner zählte einige davon auf: „,Freihandel nützt nur den Konzernen.‘ ,Digitalisierung gefährdet unsere Zukunft.‘ ,Europa hat das Wohlstandsversprechen gebrochen.‘ “
Wahr sei viel mehr: „Europa sichert Wohlstand. Globalisierung verringert Armut. Am Ende jeder industriellen Revolution hat es bisher stets mehr und nicht weniger Arbeitsplätze gegeben.“
Mitterlehner forderte seine Partei auf, „im Zweifel nicht das Populäre, sondern das Richtige zu tun“. Die ÖVPsei dafür, „die Globalisierung, die ohnehin stattfindet wie das Wetter“, offensiv zu nutzen. Handelsabkommen seien ein Mittel, um der Globalisierung Regeln zu geben. CETA einen „Höllenpakt“zu nennen oder etwas „Aufgezwungenes“, wie dies FPÖ, SPÖ und Grüne tun, sei eine „bedauerliche Entwicklung“. Mitterlehner: „Auf diesen Level der Verzwergung sollten wir uns nicht begeben.“
Erwachsenen-Lehre
Inhaltlich sprach sich der ÖVP-Chef wie zu erwarten gegen staatliches Schuldenmachen und für mehr Eigenverantwortung aus. Die Mindestsicherung dürfe keine Dauersubvention sein, sondern nur eine Überbrückungshilfe. Die ÖVP sei als christliche Partei bereit, zu helfen, aber: „Unsere Solidarität gilt vor allem auch jenen, die mit ihrer Leistung dafür sorgen, dass es überhaupt etwas zu verteilen gibt.“
Mitterlehner will mehr Freiraum für unternehmerische Menschen schaffen. Nötig seien Deregulierung, Entbürokratisierung und niedrigere Steuern. Er will die kalte Progression, also das automatische Hineinwachsen der Löhne und Gehälter in höhere Steuerstufen, abschaffen und die Körperschaftssteuer für Unternehmen senken. Im internationalen Gleichklang spricht sich Mitterlehner für die Umstellung auf ein ökologisches Steuersystem aus – also der Belastung von Energie und der Entlastung von Arbeit.
Um Flüchtlinge besser zu integrieren, macht der ÖVPChef den Vorschlag, Lehrberufe für Erwachsene einzuführen. 90 Prozent der Flüchtlinge hätten nämlich gar keine Ausbildung.