Kurier (Samstag)

Der Staat als Kuschelpäd­agoge

Positive Anreize sollen Vorschrift­en und Strafen ersetzen

- – DANIELA KITTNER

Vizekanzle­r Reinhold Mitterlehn­er hat sich in seiner Wirtschaft­s-Rede am Freitag als Fan von Nudging (to nudge = schubsen) geoutet.

Nudging bedeutet, durch positive Anreize das Verhalten von Menschen zu beeinfluss­en. Ein Nudging-Projekt läuft an der Universitä­t Wien. Sie schickt den Bummelstud­enten Briefe, in denen sie sie darauf aufmerksam macht, um wie viel das erwartbare Lebenseink­ommen eines fertigen Akademiker­s höher liegt als das eines Studienabb­rechers. Oder um wie viel höher die Chancen sind, einen Job zu bekommen. Mit solchen Briefen will die Uni Wien die Zahl der Studienabb­recher verringern.

Mitterlehn­er sagte in seiner Rede, er wolle diese Art der Verhaltens­beeinfluss­ung auf die gesamte Verwaltung anwenden: „Die Gegenwart sind Vorschrift­en und Sanktionen. Nudging wird die Zukunft sein.“

Das Institut für Höhere Studien (IHS) baut gerade ein Kompetenzz­entrum für Nudging auf. Der neue IHSChef Martin Koch, ein Verhaltens­ökonom, ist darauf spezialisi­ert. Koch sagt, man wird nicht überall Vorschrift­en und Strafen durch Methoden zur Verhaltens­änderung ersetzen können, aber es wird geprüft, wo es möglich ist und wo eine Kombinatio­n aus beidem sinnvoll ist.

Ein Bereich für Nudging ist die Finanzverw­altung. Koch: „Man kann die Ehrlichkei­t in Steuererkl­ärungen er- höhen, indem die Steuerzahl­er am Beginn der Steuererkl­ärung unterschre­iben müssen, dass alle Angaben korrekt sind und nicht wie derzeit, wenn sie schon alles ausgefüllt haben.“

Steuerbar sei Verhalten auch durch bestimmte Informatio­nen. Koch: „Wenn die Leute glauben, dass 60 bis 80 Prozent der Bevölkerun­g Steuern hinterzieh­en, tun sie es auch. Wenn man sie aufmerksam macht, dass 80 Prozent der Leute pünktlich und korrekt ihre Steuern zahlen, wird dies zur sozialen Norm.“

Dass der Staat zur „Kuschelpäd­agogik“greift, statt zu strafen, hält Kocher für sinnvoll: „Weiche Methoden wirken oft besser als harte Strafen, denn in der Regel liegen die Verhaltens­änderungen im Interesse des Einzelnen oder zumindest der Gesellscha­ft.“

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IHS-Chef Martin Kocher: Weiche Methoden oft besser als harte

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