Wie Facebook die US-Wahl mitentschied
Im US-Wahlkampf waren unzählige gefälschte Nachrichten im Umlauf. Besonders Facebook steht in der Kritik, Donald Trumps Sieg erst ermöglicht zu haben.
Emotionen zählen mehr als Argumente: Trumps Strategie war maßgeschneidert für die sozialen Medien
Mark Zuckerberg hat gerade keine leichte Zeit. Seit Trumps überraschendem Triumph steht der FacebookBoss schwer in der Kritik. Der Vorwurf: Das soziale Netzwerk habe zu wenig gegen die zahlreichen Falschmeldungen unternommen, die als seriöse Nachrichten getarnt immer öfter die Seiten der Nutzer fluten und Trump vielleicht sogar den Sieg beschert haben.
Wie in keinem Wahlkampf zuvor setzten die Kandidaten auf die Macht der Sozialen Medien. Vor allem Donald Trump nützte sie, um direkt mit seinen Anhängern zu kommunizieren und den Filter der etablierten Medien zu umgehen. Schützenhilfe erhielt er von einer ganzen Reihe freundlich gesinnter Webseiten. Ihre Gemeinsamkeit: Große Reichweite auf Facebook, geringe Wertschätzung der Fakten. Falschmeldungen über Hillary Clinton wurden Hunderttausendfach von Nutzern verbreitet. Etwa jene der Seite „WorldPoliticus.com“in der behauptet wird, dass eine Anklage gegen Clinton wegen der eMail-Affäre bereits fix sei. Die Meldung erreichte ohne faktische Grundlage auf Facebook rund 140.000 Shares und Likes.
Obama nach Kanada
Ähnlich zweifelhafte Artikel kamen fast täglich in Umlauf. Einmal hieß es, Obama würde im Falle eines Wahlsieges von Trump nach Kanada ziehen. Ein anderes Mal, dass die Trump-kritische Fox News- Moderatorin Megyn Kelly gefeuert worden sei. Nicht selten adelte Trump selbst derartige Meldungen mit einem Tweet an seine 14,4 Millionen Follower.
Nichts veranschaulicht das Problem deutlicher, als die Geschichte einer Kleinstadt in Mazedonien und ihre Rolle im US-Wahlkampf. Die Redakteure des Online-Mediums Buzzfeed recherchierten über die Betreiber von
WorldPoliticus und ähnlicher Seiten. Sie fanden, dass mindestens 140 Trump-freundliche Webseiten von jungen Mazedoniern in der 45.000 Einwohner-Stadt Veles betrieben werden. Die Teenager finanzieren sich mit Werbeeinnahmen aus Falschmeldungen und reißerischen Artikeln auf Facebook ein Zubrot. Die Auswirkungen für die Wahl sind hingegen nicht abschätzbar.
Es ist ein kleiner Einblick in ein System, das massive Ausmaße angenommen hat. Von rund 1000 Artikeln von Propaganda-Seiten auf Facebook waren laut Buzzfeed 38 Prozent auf rechten Seiten und immerhin 19 Prozent der linken größtenteils falsch. Außerdem gehörten jene Webseiten mit den meisten Falschmeldungen und Ungenauigkeiten zu jenen, die auf Facebook die meisten Shares und Likes generierten.
„Verrückte Idee“
Facebook gestand zwar ein, dass Falschmeldungen auch nach ihrer ersten Entfernung im Umlauf blieben. Dass sie einen Einfluss auf die Wahl gehabt haben könnten, stritt Mark Zuckerberg am Donnerstag jedoch ab: „Ich persönlich halte es für eine ziemlich verrückte Idee, dass falsche News auf Facebook, die nur einen sehr geringen Anteil der Inhalte ausmachen, die Wahl auf irgendeine Weise beeinflusst haben könnten“, sagte er – ignorierte dabei jedoch einen entscheidenden Faktor.
Facebook zeigt nur das an, was gefällt. „Filterbubble“nennt man dieses Phänomen, dessen Auswirkungen jüngst in einer groß angelegten Studie von Forschern aus Oxford, Stanford und Microsoft untersucht wurden. Das Ergebnis: Wer seine Nachrichten vorwiegend über Facebook konsumiert, liest Nachrichten aus dem „anderen Lager“noch seltener als andere Internet-Nutzer. Wenn die Facebook-Timeline aber einen immer kleineren Ausschnitt der Wirklichkeit zeigt, wird auch der Klimawandel schnell vom Faktum zur politischen Verhandlungsmasse. Postfaktisches Zeitalter nennt sich das neuerdings. Die Spaltung der Gesellschaft, sie ist vorprogrammiert.