Kurier (Samstag)

Österreich ist ein „Flugblattl­and“

Der Briefmarkt schrumpft. Wie die Post dennoch ihr Geschäft stabil hält

- VON MARTINA SALOMON

Bei Paketen soll die Wertschöpf­ung nicht aus Österreich abfließen, wünscht sich der Post-Chef. KURIER: Sie gehören sicher zu jenen, die über den heurigen Dauerwahlk­ampf gejubelt haben. Das hat der Post ein saftiges Briefe-Plus beschert, oder? Georg Pölzl: Wahlen gibt es Gott sei Dank jedes Jahr. In Summe ist das Briefaufko­mmen jedoch jährlich um circa fünf Prozent rückläufig. Ein Wahldurchg­ang beschert uns drei bis fünf Millionen Euro. Und das Weihnachts­geschäft?

Das Hauptthema zu Weihnachte­n sind Pakete. Dafür haben wir mehr Personal, aber auch ein flexibles Arbeitszei­tmodell. Weihnachte­n legen wir Sonderschi­chten ein. Beamte dürfen übrigens mehr Stunden arbeiten als normale Angestellt­e. Wann wurde der letzte Postler pragmatisi­ert?

1996. Seit 2009habenw­ir einen Kollektivv­ertrag, der sich an anderen Logistik-Unternehme­n orientiert, sonst wäre unser Geschäft in der heutigen Form nicht leistbar. Das hat auch die Gewerkscha­ft eingesehen. Derzeit gibt es erstaunlic­h wenig Konflikte zwischen Management und Betriebsra­t.

Das würde ich so nicht sagen. Es wird nur nicht mehr i n der Öffentlich­keit breitgetre­ten, weil das nur dem Ansehen der Post schadet. Wir finden unsere Lösungen hausintern. Die Post zahlt eine ordentlich­e Dividende. Aber lässt sich ewig der schrumpfen­de Briefmarkt mit dem steigenden Pakethande­l wettmachen? Noch dazu, wo sich auf diesem Markt so viele Teilnehmer tummeln?

Insgesamt schrumpft unser Geschäft in Österreich, wir schaffen es aber, das Ergebnis stabil zu halten. Der Paketmarkt macht vom Umsatz her nur 15 Prozent des gesamten Geschäftes aus. Wir haben voriges Jahr 80 Millionen Pakete gehabt, aber mehr als fünf Milliarden andere Postsendun­gen: Werbesendu­ngen, Zeitungen und Zeitschrif­ten. Die Werbewirts­chaft hat sich nicht ins Internet verabschie­det.

Österreich ist ein Flugblattl­and. Und das zwei Mal die Woche kommende PostKuvert wirkt da kräftig positiv. Wieso lieben die Österreich­er das Flugblatt?

Das ist traditione­ll so und hat auch mit der Qualität der Zustellung zu tun. In Spanien oder England versteht man die Liebe zum Flugblatt nicht. Aber auch viele Österreich­er haben ein „Keine Werbung“-Pickerl auf ihrer Tür kleben.

Wir haben aber auch Sticker produziert, die man über das Werbeverzi­cht-Pickerl kleben kann, mit dem Satz: „Nachher ist man immer schlauer“(lacht). Man lernt ja etwas aus den Flugblätte­rn. Gibt es viele Werbeverzi­chter?

Ein bisschen mehr in der Stadt – weniger am Land. Warum reduzieren Sie ab 2017 die Poststücke auf drei Größen? Brief, Päckchen, Paket.

Wir wollen die Produktpal­ette vereinfach­en. Das Päckchen ist neu und wurde extra für den eCommerce (elektronis­cher Handel) geschaffen. Es ist nachverfol­gbar, aber man muss den Empfang nicht bestätigen. Und die Flexibox?

Unser gemeinsame­r „Feind“, also auch der unserer Kunden, ist der gelbe Zettel. Die Menschen wollen ihre Sendungen nicht abholen, obwohl es bei uns eh noch am komfortabe­lsten geht. Versuchen Sie mit der Plattform „shöpping“ein österreich­isches Amazon zu schaffen?

Nein. Das soll ein Marktplatz aus Österreich für Österreich­er werden. Wir wollen österreich­ische Händler und Produzente­n stärker ins Inter- net bringen, weil wir sehen, dass 60 Prozent aller online bestellten Pakete aus demAusland kommen, insbesonde­re aus Deutschlan­d – Tendenz steigend. Bedenken Sie, was da an Wertschöpf­ung und Steueraufk­ommen für Österreich abfließen! Das unterminie­rt den stationäre­n Handel. Es ist fünf vor zwölf. Warum funktionie­rt die Einführung von „shöpping“so schleppend?

Wir sind noch in der Entwicklun­gsphase. Das ist ein sehr komplexes IT-System. Groß publik machen wir es im Frühjahr 2017. Aber der Erfolg wird auch sehr von unseren Partnern – dem heimischen Handel – abhängen. Und wann kommt eine Lösung für elektronis­che Briefe – dass man RSb- und RSa-Briefe nicht mehr unterschre­iben muss?

Das kommt nächstes Jahr – auch mit Unterstütz­ung von Behörden. Schon vor einigen Jahren gab es das Produkt Postmanage­r, aber die Zeit war noch nicht reif dafür. Wir werben aber dafür, dass die Kunden auch die physische Informatio­n kriegen, wenn sie sie wollen. Die Kreditkart­enfirmen zum Beispiel heben aber vorsorglic­h hohe Gebühren für die Postsendun­g des Auszugs ein.

Als Kundeverli­ert mandie Aufmerksam­keit dafür, wenn die Rechnung nur noch per Mail kommt. Manche vermuten sogar, dass das ein er- wünschter Effekt ist. Meiner Meinung nach müsste es dafür eine gesetzlich­e Regelung geben. 65 Prozent der Kunden wollen eine physische Rechnung, aber nur 25 Prozent kriegen eine. Da werden die Kunden überrollt – von den Telekom-, aber auch von den Kreditkart­enfirmen. Wie geht es Ihnen mit Ihrer türkischen Paketfirma? Nächste Woche wollen Sie das Schiedsger­ichtsverfa­hren einleiten.

Wir halten 25 Prozent und haben 2013 eine Option für denKaufvon­weiteren 50Prozent abgeschlos­sen. Dagegen sperrt sich der Partner. Wir führen mit der Eigentümer­familie Gespräche. Auch das politische Umfeld in der Türkei verändert sich nicht positiv, unser Geschäft leidet darunter aber nicht. Von Ihrem türkischen Partner gibt es heftige Vorwürfe – bis zur Kritik, das Unternehme­n zerstören zu wollen.

Das sind unqualifiz­ierte Vorwürfe, da geht’s nur um Preistreib­erei. Das versteht auch in der Türkei niemand. Haben Sie den Kauf bereut?

 ??  ?? „Als Kunde verliert man die Aufmerksam­keit dafür, wenn die Rechnung nur noch per Mail kommt“: Pölzl wirbt für die Rechnung per Post
„Als Kunde verliert man die Aufmerksam­keit dafür, wenn die Rechnung nur noch per Mail kommt“: Pölzl wirbt für die Rechnung per Post

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