„In Österreich fangen wir bei null an“
Aktive Teilnahme am Arbeitsmarkt gewünscht. Unternehmen sind sehr zurückhaltend
Wenn es um Menschen mit Behinderungen geht, kommt von österreichischen Unternehmen meist reflexartig dieselbe Antwort: Sie leisten wenig und genießen einen strengen Kündigungsschutz. Nur 20 Prozent der heimischen Betriebe erfüllen daher ihre gesetzliche Pflicht, pro 25 Arbeitnehmer eine „begünstigte Person mit Behinderung“(nachweislich mehr als 50 Prozent beeinträchtigt) anzustellen. Der Rest kauft sich frei und zahlt dafür 374 Euro im Jahr an den Ausgleichstaxfonds.
„Beim Thema Inklusion behinderter Menschen in den Arbeitsmarkt beginnen wir in Österreich bei Null“, sagt Michael Fembek, Projektmanager der Essl Foundation. Sie organisiert Ende Februar 2017 in der Wiener UNO-City eine internationale Konferenz dazu. Österreich hinke vielen westlichen Ländern weit hinterher. Mit dem vor fünf Jahren ins Leben gerufenen Projekt „Zero Project“will die Esst Stiftung behinderte Menschen raus aus dem Eck – „um die kümmert sich eh jemand“– und hin zu einer gleichbe- rechtigten Teilnahme am Arbeitsmarkt bringen.
Gregor Demblin kennt die Einstellung der Wirtschaft zu Behinderten nur allzu gut. Seit seinem 18. Lebensjahr ist er nach einem Badeunfall querschnittsgelähmt. Die Zuversicht, alles zu schaffen, die er damals nach der Reha hatte, ist bald Ernüchterung gewichen. „Ich erkannte, dass man mir Leistung nicht mehr zutraute“, sagt er. Dabei sei er doch dieselbe Person wie vor dem Unfall geblieben. „Das war ein großer Schock“, erzählt er.
„Viele sind unsichtbar“
Demblin begann zu recherchieren und erkannte, dass rund 15 Prozent der Österreicher irgendeine Art von Behinderung haben. „Die meisten sind in den Unterneh- men unsichtbar. Sie versuchen, ihre Behinderung zu verstecken, um nicht als leistungsschwach angesehen zu werden“, betont Demblin.
Heute, fast 20 Jahre nach seinem Unfall, führt er gemeinsam mit Partnern die Unternehmensberatung Dis Ability-Performance – spezialisiert auf Beschäftigungschancen für Behinderte und Barrierefreiheit. 20 heimi- sche Unternehmen hat er auf seiner Kundenliste, 100 sollen es in den nächsten Jahren werden. Die Hälfte der elf Mitarbeiter hat eine Behinderung. Von den gesetzlich vorgeschriebenen Beschäftigungsquoten hält Demblin nichts. „Unternehmen sehen das als lästige Pflicht“, sagt er.
Martin Gleitsmann, Leiter der Sozialpolitik in der Wirt- schaftskammer Österreich, betont, dass der Kündigungsschutz 2011 gelockert worden sei. Erst nach vier Jahren Betriebszugehörigkeit gelte dieser Schutz. „Aber in den Köpfen der Unternehmer ist das noch nicht angekommen“, sagt Gleitsmann. Er fordert, dass die Gelder im Ausgleichstaxfonds für Förderung von Behinderten zweckgewidmet sein sollten.