Kein Ende im Pralinen-Giftkrimi
Sponsoren finanzierten Gutachten, mit dem Häftling den Mon-Chéri-Prozess neu aufrollen will
Eine Wende im Kriminalfall um den im Jahr 2008 vergifteten Bürgermeister von Spitz in der Wachau, Hannes Hirtzberger, will der Linzer Rechtsanwalt Kurt Wolfmair herbeiführen.
Der Verteidiger des Winzers Helmut Osberger, der im selben Jahr wegen Mordversuchs zu lebenslanger Haft verurteilt wurde, hat nun eine Wiederaufnahme des Verfahrens im Landesgericht Krems beantragt. Ein brandneues Gutachten ist seine Munition (siehe rechts). Das konnte er erst jetzt mithilfe von Sponsoren finanzieren.
Sohn spendete
Zu den Spendern zählt auch der Sohn des Verurteilten, der seinen Vater im Verfahren noch schwer belastet hat. Wolfmair: „Wenn sein Vater unschuldig ist, soll er auch nicht im Gefängnis sitzen, meint der Sohn.“
Der Fall und der darauf folgende Prozess erregten damals internationales Aufsehen. Wie berichtet, gingen Anklage und später auch das Gericht davon aus, dass der Rechtsanwalt und Lokalpolitiker durch Strychnin so schwer vergiftet wurde, dass er seither im Wachkoma liegt. Eine Besserung seines Zustandes gilt aufgrund der schweren Hirnschäden als ausgeschlossen.
Das Gift soll sich in den Pralinen einer Schachtel Mon Chéri befunden haben, die Hirtzberger am Morgen des 9. Februar 2008 – gemeinsam mit einer Grußkarte – auf dem Dach seines Autos fand. Er aß eine Praline. Auf der Fahrt nach Krems zu seiner Kanzlei wurde ihm schlecht. Er blieb stehen, bat einen Passanten umHilfe und brach zusammen. Er musste monatelang auf der Intensivstation behandelt werden.
Spezialisten
„Ich hatte von Anfang an meine Zweifel. Jetzt gibt es Belege, dass einiges nicht stimmt.“
„Mein Mandant hat mich immer wieder angeschrieben, dass ich etwas versuchen soll. Schließlich hat er mir einen Kontakt genannt, über den ich zu den chemischen Pathologiespezialisten der Uni München gelangt bin“, erzählt Anwalt Wolfmair.
Im Gegensatz zum Gerichtsgutachter (Urinprobe) werteten sie eine Blutprobe aus, um die aufgenommene Menge Strychnin in Hirtzbergers Körper zu errechnen.
„Ich hatte von Anfang an meine Zweifel. Nunhabendie Spezialisten errechnet, dass das Opfer fünf Gramm des Giftes zu sich genommen haben muss. Das ist eine Menge, die nicht in die Praline hineinpasst. Nicht einmal, wenn man vorher die Kirsche entfernt. Denn das Gift würde mindestens so viel Platz benötigen wie ein Stück Würfelzucker“, kombiniert der Anwalt.
Osberger, seit kurzer Zeit in der Justizanstalt Krems/Stein, schöpft jedenfalls neue Hoffnung. Gesundheitlich geht es ihm nicht gut. Er soll am Rücken operiert werden, will den riskanten Eingriff aber erst wagen, wenn er in Freiheit ist und den Arzt selber wählen kann.
Alte Wunden
In der Wachau wird die Aktion Osbergers noch unterschiedlich kommentiert. „Ich glaube, dass die Nachricht noch zu frisch ist, als dass mandieStimmunginder Gemeinde abschätzen könnte. Das andere sind die rechtlichen Möglichkeiten, die jeder hat“, sagt der Nachfolger Hirtzbergers als Spitzer Bürgermeister, Andreas Nunzer.
Daher schwankt derzeit die Meinung zwischen, „ich glaube, die Menschen haben bei uns mit dem Thema abgeschlossen“und „alte Wunden werden bei der Familie und vielen Menschen im Ort auf jeden Fall wieder aufgerissen“, meinten die Spitzer Bewohner auf Nachfrage des KURIER.
Christian Hirtzberger, der Bruder des Opfers, stellt für die Familie klar: „Die Suche nach dem Täter steht und stand für uns nicht im Vordergrund und beschäftigt uns nicht. An dem Drama für die Familie und für die Region, weil so eine wichtige Persönlichkeit allen fehlt, ändert sich dadurch nichts.“ Kurt Wolfmair Anwalt von Osberger