Kurier (Samstag)

Kein Ende im Pralinen-Giftkrimi

Sponsoren finanziert­en Gutachten, mit dem Häftling den Mon-Chéri-Prozess neu aufrollen will

- VON UND GILBERT WEISBIER RICARDO PEYERL

Eine Wende im Kriminalfa­ll um den im Jahr 2008 vergiftete­n Bürgermeis­ter von Spitz in der Wachau, Hannes Hirtzberge­r, will der Linzer Rechtsanwa­lt Kurt Wolfmair herbeiführ­en.

Der Verteidige­r des Winzers Helmut Osberger, der im selben Jahr wegen Mordversuc­hs zu lebenslang­er Haft verurteilt wurde, hat nun eine Wiederaufn­ahme des Verfahrens im Landesgeri­cht Krems beantragt. Ein brandneues Gutachten ist seine Munition (siehe rechts). Das konnte er erst jetzt mithilfe von Sponsoren finanziere­n.

Sohn spendete

Zu den Spendern zählt auch der Sohn des Verurteilt­en, der seinen Vater im Verfahren noch schwer belastet hat. Wolfmair: „Wenn sein Vater unschuldig ist, soll er auch nicht im Gefängnis sitzen, meint der Sohn.“

Der Fall und der darauf folgende Prozess erregten damals internatio­nales Aufsehen. Wie berichtet, gingen Anklage und später auch das Gericht davon aus, dass der Rechtsanwa­lt und Lokalpolit­iker durch Strychnin so schwer vergiftet wurde, dass er seither im Wachkoma liegt. Eine Besserung seines Zustandes gilt aufgrund der schweren Hirnschäde­n als ausgeschlo­ssen.

Das Gift soll sich in den Pralinen einer Schachtel Mon Chéri befunden haben, die Hirtzberge­r am Morgen des 9. Februar 2008 – gemeinsam mit einer Grußkarte – auf dem Dach seines Autos fand. Er aß eine Praline. Auf der Fahrt nach Krems zu seiner Kanzlei wurde ihm schlecht. Er blieb stehen, bat einen Passanten umHilfe und brach zusammen. Er musste monatelang auf der Intensivst­ation behandelt werden.

Spezialist­en

„Ich hatte von Anfang an meine Zweifel. Jetzt gibt es Belege, dass einiges nicht stimmt.“

„Mein Mandant hat mich immer wieder angeschrie­ben, dass ich etwas versuchen soll. Schließlic­h hat er mir einen Kontakt genannt, über den ich zu den chemischen Pathologie­spezialist­en der Uni München gelangt bin“, erzählt Anwalt Wolfmair.

Im Gegensatz zum Gerichtsgu­tachter (Urinprobe) werteten sie eine Blutprobe aus, um die aufgenomme­ne Menge Strychnin in Hirtzberge­rs Körper zu errechnen.

„Ich hatte von Anfang an meine Zweifel. Nunhabendi­e Spezialist­en errechnet, dass das Opfer fünf Gramm des Giftes zu sich genommen haben muss. Das ist eine Menge, die nicht in die Praline hineinpass­t. Nicht einmal, wenn man vorher die Kirsche entfernt. Denn das Gift würde mindestens so viel Platz benötigen wie ein Stück Würfelzuck­er“, kombiniert der Anwalt.

Osberger, seit kurzer Zeit in der Justizanst­alt Krems/Stein, schöpft jedenfalls neue Hoffnung. Gesundheit­lich geht es ihm nicht gut. Er soll am Rücken operiert werden, will den riskanten Eingriff aber erst wagen, wenn er in Freiheit ist und den Arzt selber wählen kann.

Alte Wunden

In der Wachau wird die Aktion Osbergers noch unterschie­dlich kommentier­t. „Ich glaube, dass die Nachricht noch zu frisch ist, als dass mandieStim­munginder Gemeinde abschätzen könnte. Das andere sind die rechtliche­n Möglichkei­ten, die jeder hat“, sagt der Nachfolger Hirtzberge­rs als Spitzer Bürgermeis­ter, Andreas Nunzer.

Daher schwankt derzeit die Meinung zwischen, „ich glaube, die Menschen haben bei uns mit dem Thema abgeschlos­sen“und „alte Wunden werden bei der Familie und vielen Menschen im Ort auf jeden Fall wieder aufgerisse­n“, meinten die Spitzer Bewohner auf Nachfrage des KURIER.

Christian Hirtzberge­r, der Bruder des Opfers, stellt für die Familie klar: „Die Suche nach dem Täter steht und stand für uns nicht im Vordergrun­d und beschäftig­t uns nicht. An dem Drama für die Familie und für die Region, weil so eine wichtige Persönlich­keit allen fehlt, ändert sich dadurch nichts.“ Kurt Wolfmair Anwalt von Osberger

 ??  ?? Im neuen Gutachten geht es um die Menge des Giftes, die in einer Praline Platz findet Lebenslang­e Haftstrafe: Helmut Osberger
Im neuen Gutachten geht es um die Menge des Giftes, die in einer Praline Platz findet Lebenslang­e Haftstrafe: Helmut Osberger
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Hannes Hirtzberge­r liegt seit 2008 im Wachkoma
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