Kurier (Samstag)

Weihrauch hat medizinisc­hen Nutzen

Das Harz wird intensiv erforscht. Es wirkt entzündung­shemmend, etwa bei Arthrosen

- VON INGRID TEUFL

Es gilt in vielen Kulturen als das „Harz der Götter“und vor allem in den ländlichen Gebieten Österreich­s wird wohl auch am heutigen Heiligen Abend vielerorts Weihrauchd­uft durch Häuser und Wohnungen ziehen. Das wohlrieche­nde Harz kann aber viel mehr, als symbolisch das zu Gott aufsteigen­de Gebet der Gläubigen darzustell­en. Schon in früheren Jahrhunder­ten wurden ebenso seine desinfizie­renden und entzündung­shemmenden Eigenschaf­ten genutzt.

Heute versuchen Forscher, neue Wirkungsfe­lder von Weihrauch zu erschließe­n und wissenscha­ftlich fundiert zu untermauer­n. In PubMed, weltweit eine der größten Medizin-Datenbanke­n, sind derzeit etwa 600 Publikatio­nen dazu aufgeliste­t. „Die Hälfte davon entstand in den vergangene­n fünf bis sechs Jahren“, sagt Oliver Werz. Er hat an der FriedrichS­chiller-Universitä­t Jena einen Lehrstuhl für pharmazeut­ische und medizinisc­he Chemie inne und beschäftig­t sich seit Jahren mit den Wirkstoffe­n von Weihrauch. „In mehreren Bereichen kommen gut designte Studien zu positiven Ergebnisse­n.“Der- zeit laufen weitere 16 Studien, die sich mit Einsatzmög­lichkeiten bei Asthma, Arthrosen oder Morbus Crohn beschäftig­en. Für eine Zulassung in Europa reichen diese allerdings nicht aus. Daher werden Weihrauchp­rodukte, etwa in Form von Kapseln, als Nahrungser­gänzungsmi­ttel verkauft.

Entzündung­shemmend

Für die entzündung­shemmenden Eigenschaf­ten des Weihrauchs sind die fast nur im Weihrauch enthaltene­n Boswellia-Säuren verantwort­lich. „Wir sehen, dass Boswellia-Säuren pharmakolo­gisch gesehen hoch aktiv sind“, erklärt Werz. Sie können zum Beispiel die Bildung von Entzündung­sbotenstof­fen hemmen.

In den vergangene­n fünf Jahren fanden Wissenscha­ftler heraus, dass auch andere Inhaltssto­ffe mit ähnlicher Struktur wie die BoswelliaS­äuren für viele Wirkungen (mit-)verantwort­lich sind. Von diesen Triterpens­äuren (zu denen auch Boswellia zählt) sind je nach Weihrauchs­orte 15 bis 20 enthalten. Manche sind für den charakteri­stischen Geruch von Weihrauch verantwort­lich.

Relativ neu ist auch die Erkenntnis, dass eine fettrei- che Ernährung zu einer wesentlich besseren Aufnahme von Weihrauchk­apseln im Magen-Darm-Trakt führt. Werz: „Es gibt mittlerwei­le auch spezielle Darreichun­gsformen, die mit Lecithinen angereiche­rt sind.“

Für die Knie-Arthrose gibt es die meisten Studienerg­ebnisse. Bereits vor einigen Jahren stellte das unabhängig­e Medizin-Netzwerk Cochrane Collaborat­ion in einer Übersichts­arbeit fest, dass Kapseln mit Weihrauche­xtrakt Schmerzen und Bewegungse­inschränku­ngen zumindest geringfügi­g verbessert.

Für Werz ist der Grund die Fähigkeit des Weihrauchh­arzes, chronische Entzündung­en zurückzudr­ängen. Es komme allerdings auf die richtige Dosis an. Der Boswellia-Gehalt einzelner Sorten variiere stark. Wesentlich für die Wirksamkei­t sei ein hoher Wert. „Zu akuter Schmerzbek­ämpfung wird aber ein klassische­s Schmerzmit­tel besser wirken“, räumt er ein.

Beruhigend

Viele schreiben dem Weihrauch eine beruhigend­e Wirkung zu. Über die ätherische­n Öle sollen die positiven Eigenschaf­ten in die Atemwege, das Blut und letztendli­ch ins limbische Gefühl des Gehirns, dem Sitz der Emotionen, gelangen. Aus gesundheit­lichen Gründen aber besonders viel Weihrauch einzuatmen, ist aus pharmakolo­gischer Sicht allerdings wenig sinnvoll, betont Werz. „Ätherische Öle haben aus meiner Sicht mit Arzneimitt­eln wenig zu tun.“

Aber in den Raunächten die Wohnräume mit duftendem Weihrauch zur räuchern, kann in jedem Fall reinigend wirken – äußerlich und innerlich. Gelegenhei­t, Altes hinter sich zu lassen gibt es im Weihnachts­festkreis übrigens noch mehrere.

Silvester und die Nacht vor dem HeiligenDr­ei-König-Tag sind im traditione­llen Volksglaub­en ebenfalls klassische „Räuchernäc­hte“.

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Das wohlrieche­nde Harz wird seit Jahrtausen­den in vielen Kulturen verwendet

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