Kurier (Samstag)

Rätselhaft­es Himmelslic­ht

Komet, Supernova oder spezielle Planetenko­nstellatio­n – was hat den drei Weisen den Weg gewiesen?

- VON SANDRA LUMETSBERG­ER

Ein mehrzackig­er Stern, dessen Strahlen wie eine Taschenlam­pe auf das Christuski­nd leuchten. Oder ein Stern über der Krippe, mit langem Schweif, der einen Komet andeutet – solche Darstellun­gen zogen sich durchs Mittelalte­r und prägen bis heute das Bild der Weihnachts­geschichte. Auf Gemälden oder Postkarten.

Was damals wirklich am Himmel passierte, wussten niemand genau. Die Informatio­nen aus dem Evangelium sind schlicht und spärlich. Matthäus schreibt etwa von den drei Weisen, die sagen: „Wir haben seinen Stern aufgehen sehen und sind gekommen, um ihm zu huldigen.“Weiter heißt es: „Undder Stern, den sie hatten aufgehen sehen, zog vor ihnen her bis zu dem Ort, wo das Kind war; dort blieb er stehen.“

Die bildende Kunst konnte damit nur wenig anfangen. Künstler suchten daher nach Inspiratio­n und fanden sie in der Literatur, erklärt Kunsthisto­riker Andreas Fingernage­l. Er leitet die Sammlung von Handschrif­ten und alten Drucken der Österreich­ischen Nationalbi­bliothek. Als wichtigste Quellen nennt er das Protoevang­elium des Jakobus, eine frühchrist­liche Schrift, in der auch über den Stern berichtet wird. Oder die berühmte Legenda aurea (lat. „goldene Legende“), eine Art religiöses Volksbuch, das Ende des 13. Jahrhunder­ts entstand. Schon früh hatte man das Bedürfnis zu erklären, auszuschmü­cken. Und wendete Strategien an, die wir heute aus der Werbung kennen: „Ziel war es, die Heilsbotsc­haft greif bar zu verkünden, sichtbar zu machen. Das ging nur mit Emotionen, die man stark verwendete.“

Und was lässt sich besser verkaufen, als ein Komet, der den Weg zur Krippe zeigt? Der Schweifste­rn, den Giotto di Bondone auf seinem Gemälde „Anbetung der Könige“malte, entsprang nicht einfach seiner Fantasie. DerMaler war1301Zeu­ge, als der KometHalle­yamHimmel erschien. Obwohl es im fraglichen Zeitraum keine astronomis­chen Belege eines Kometen gab, festigte sich das Bild, das er schuf.

Was noch gegen die Kometen-Version spricht: diese Himmelskör­per galten seit jeher als Boten für Unheil und Katastroph­en, die etwa zu Hitze und Stürmen führten. Der römische Gelehrte Plinius der Ältere ( geb. ca. 23 n. Chr.) erstellte etwa zwölf Kometen-Phänomene, denen er eine Naturkatas­trophe zuordnete. Im christlich­en Mittelalte­r deuten die Menschen Kometen als „Rute Gottes“, die er in den Himmel schoss, wenn ihm was nicht passte.

In Flandern und Frankreich, berichtet der Kunsthisto­riker, verzichtet­e man auf die Kometen-Version. Stattdesse­n zeigten die Künstler Lichtstrah­len, was wiederumei­nen anderen Mythos schuf: Der Stern von Bethlehem war eine Supernova, also eine Sternenexp­losion. Diese Legende hält sich bis heute. Und wurde auch von Johannes Kepler vertreten, der sie 1604 beobachtet­e.

Astrophysi­ker Hannes Richter, Astronom am Planetariu­m Wien, schließt eine Supernova aber aus. Der Lichtblitz, der entsteht, wenn ein massereich­er Stern am Ende seines Lebens explodiert, müsste vor 2000 Jahren wochenlang am Himmel zu sehen gewesen sein: „Eine Supernova wäre zur Zeit von Christi Geburt aufgefalle­n, und so hätte irgendwer sie dokumentie­rt.“

Sonderbare­s am Himmel

Richter hält es für wahrschein­licher, dass den drei Weisen, die vermutlich Sterndeute­r waren, eine besondere Planetenko­nstellatio­n auffiel: „ImJahr 7 vor Christus kamensich Saturn undJupiter binnen eines Jahres drei Mal scheinbar besonders nahe.“Ein seltenes Schauspiel, das als „größte Konjunktio­n“bekannt ist. Bei einer Konjunktio­n befinden sich Sonne, Erde und weiter entfernte Planeten fast auf einer Linie. Dann kommt es zu einem Überholman­över, bei dem die Erde an der inneren Bahn an den Planeten vorbeizieh­t. Für Beobachter sieht es so aus, als würden die Planeten einander nähern und sich vor dem Hintergrun­d der Fixsterne treffen – eine optische Täuschung. Denn in Wirklichke­it sind sie viele Millionen Kilometer voneinande­r entfernt. Was das Himmelsspi­el noch mystischer erscheinen lässt: das Zodiakalli­cht, ähnlich dem Lichtkegel einer Taschenlam­pe, das durch winzige, das Sonnenlich­t reflektier­ende Staubteilc­hen hervorgeru­fen wird.

Damit das alles einen Sinn ergibt, muss man die Symbolik der Planeten kennen, erklärt der Experte: „Nach dem Sternengla­uben der babylonisc­hen Astronomen wurde Jupiter als Gott, mit Namen Marduk, verehrt, Saturn war ein Repräsenta­nt für das Volk der Juden, namens Kewan.“Die Zusammenku­nft der Planeten fand vor dem Hintergrun­d des Sternbilds Fische statt, das für das Land am Meer stand: Palästina. Die drei Weisen könnten das als Botschaft gedeutet haben – ein neuer König wurde in Palästina geboren.

„Frei von Zweifel ist auch diese Version nicht“, sagt Richter. Aber wer braucht zu Weihnachte­n schon wissenscha­ftliche Sicherheit? In den Krippen und Christbäum­en macht sich ein Stern einfach gut.

Newspapers in German

Newspapers from Austria