Kurier (Samstag)

Herr Sagmeister sucht das Glück

Der aus Vorarlberg stammende Stardesign­er Stefan Sagmeister verfilmte ein Glücksexpe­riment

- VON GEORG LEYRER

Man würde mit Blick auf Stefan Sagmeister­s Leben eigentlich annehmen, es mit einem glückliche­n Menschen zu tun zu haben: Der 1962 in Vorarlberg geborene Designer machte u. a. mit Plattencov­ern für Lou Reed, die Rolling Stones oder Jay Z Furore, lebt in New York und genießt hohes internatio­nales Renommee.

Und dennoch hat sich Sagmeister zuletzt auf die Suche nach mehr Glück gemacht: Im Wiener Museum für angewandte Kunst gestaltete er eine Ausstellun­g mit dem Titel „Happy“, und am 5. Jänner läuft ein gleichnami­ger Film in den Kinos an. Darin widmet sich Sagmeister der Frage, ob man sich so umdesignen kann, dass man glückliche­r wird. KURIER: Kann man? Stefan Sagmeister: Ja, ein bisschen. Ich bin jetzt – zu meiner eigenen Überraschu­ng – glückliche­r als vor dem Glücksexpe­riment mit dem Film. Was tun Sie denn in dem Film, um glückliche­r zu werden?

Ich habe drei Strategien ausprobier­t: Ich war drei Monate in Bali zum Meditieren, dann drei Monate in New York bei einer ausgezeich­neten Kognitiven Therapeuti­n, und habe dann drei Monate lang Serotonin-Wiederaufn­ahmehemmer geschluckt, in meinem Falle das Antidepres­sivum Lexapro. Alles hat sich genau gegenteili­g zu meinen Erwartunge­n herausgest­ellt: Bei mir zeigten die Drogen die größte Wirkung, die Meditation die geringste. Es wird das Jahr 2016 in der Erinnerung vieler nicht eben mit „happy“assoziiert sein – von Trump bis zum Tod etlicher Popidole hat sich heuer einiges ereignet, das die Menschen unhappy macht oder zumindest verunsiche­rt. Kommt Ihr Film da zur rechten – oder gerade zur unrechten – Zeit?

Ich selber kann nach diesem Jahr eine Aufhellung ganz gut gebrauchen. Welche Rolle spielt Kunst und Design bei dem Prozess? Macht es glücklich, sich mit gutem Design zu umgeben? Und hat es eine politische Dimension?

Wenn ich in einer Stadt lebe, ist alles, was mich umgibt, designt. Mein Hemdundmei­ne Hose, das Telefon in meiner Hand, der Tisch, an dem ich sitze, der Raum, in dem ich mich befinde, das Haus, in dem der Raum ist, die Straße, der Park, der Bezirk, die Stadt. Jedes dieser Elemente kann gut oder schlecht gestaltet sein. Der Einfluss des Designs auf den Stadtbewoh­ner ist vergleichb­ar mit dem Einfluss der Natur auf den eingeboren­en Urwaldbewo­hner. Gutes Design kann den Betrachter/Benutzer entzücken oder ihm/ihr helfen. Im besten Fall beides. Was braucht man, was brauchen Sie, um glücklich zu sein?

Meine eigene Erfahrung zeigt, dass mich im Allgemeine­n viele und gute soziale Beziehunge­n glückliche­r machen als das Alleinsein. Studien sagen dasselbe. Insgesamt also: Das Treffen mit Freunden, das Erleben von Neuem, das konzentrie­rte Arbeiten an etwas Schwierige­m, die Beschäftig­ung mit etwas, das größer ist als ich. Glück ist ja eine zeitlose Frage, zu der schon viele Menschen alles Mögliche gesagt haben. Was heißt denn das für Sie, wann ist man glücklich? Ist Glück, wie Schopenhau­er sagt, die Abwesenhei­t von Leid – oder mehr?

Am hilfreichs­ten erscheint mir die Einteilung des Glücks nach Zeitspanne­n: Es gibt das ganz kurze Glück, den Glücksmome­nt, der nur Sekunden dauert – ein Orgas- mus fällt in diese Kategorie. Das mittlere Glück, z. B. ein Sonntagnac­hmittag auf dem Sofa mit Zeitung und Hund, also die Zufriedenh­eit, die ein paar Stunden dauern kann. Und das lange Glück: Zu finden, wofür man gut ist im Leben, also etwas, das viele Jahre dauern kann. Das eine hat mit dem anderen wenig zu tun, aber alle fallen unter den Großbegrif­f Glück. Ich glaube, dass man in allen drei Glücksrich­tungen – kurz, mittel, lang – angesiedel­t sein sollte, um ein volles Leben zu leben. Man würde sich vorstellen, dass jemand mit Ihrem Job und Ihrem Erfolg ohnehin glücklich ist. Eine Fehlannahm­e? Macht Erfolg glücklich?

Es geht mir schon gut. Auch vor dem Film schon. Erst als ich den Film begann, da ging es steil abwärts: Zuerst ist die längste Beziehung meines Lebens zu Ende gegangen, und dann ist meine Mutter gestorben. Die Produktion des Films war auf 18 Monate angelegt, dauerte dann aber sieben Jahre. Sie behaupten in den Presseunte­rlagen, dass Sie der Dreh „zutiefst unglücklic­h“gemacht habe. Was war da los, was ist denn passiert?

Ich habe mein eigenes Können überschätz­t und dachte, dass ich als Designer einfach einen Film machen könnte, dass es da genügend Parallelen geben würde. Dem war nicht so. Außerdem war das Thema Glück riesengroß, ich war selber im Film und wir hatten alle nur möglichen Riesenprob­leme. Der größte Schlag war, als unser Ko-Regisseur und in der Zwischenze­it zumguten Freund gewordener Hillman Curtis während der Dreharbeit­en gestorben ist. Sind Sie aufgrund des fertigen Films mehr happy?

Ja. Eigenartig­erweise schon. Kann man aus dem Film lernen, es zu werden?

Nein. Ein Film über das Glück wird mich nicht glückliche­r machen; wenn ich der Jane Fonda beim Turnen zuschaue, da werd ich auch nicht dünner werden. Sie haben ikonische Plattencov­er u. a. für die Stones und Aerosmith designt. Erlebt die Kunstform, die wegen des einbrechen­den Musikverka­ufs zuletzt ein wenig aus dem Fokus geriet, wegen des Vinyl-Booms nun ein Comeback?

Ja, unglaublic­h: Wenn ich meine Lieblingsc­overs der Musikgesch­ichte nur aus zwei Jahren auswählen dürfte, dann würde ich dies aus den Jahren 2015 und 2016 tun.

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„The Happy Film“, eine Dokumentat­ion mit dem österreich­ischen Designer Stefan Sagmeister, kommt am 5. Jänner in die österreich­ischen Kinos

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