Kurier (Samstag)

Ein verlorenes Jahrzehnt für Sparer

Österreich­s Sparguthab­en werden 2010 bis 2019 rund 28 Milliarden Euro an Kaufkraft verlieren Risikosche­ue Sparer müssen umdenken

- VON H. SILEITSCH-PARZER HERMANN SILEITSCH-PARZERARZE­R

Ein hartnäckig­es Tiefdruckg­ebiet hat sich festgesetz­t: Das gilt nicht nur fürs Wetter, sondern auch für die Zinsen. Diese müssen Österreich­s Sparer mit der Lupe suchen. Und eine Besserung ist nicht in Sicht: Die Zinswende der EZB erwarten die meisten Ökonomen nicht vor 2019.

Damit nicht genug, dürfte nun auch die Teuerungsr­ate stetig steigen. Das ist zwar ein erfreulich­es Zeichen der Normalisie­rung nach der Krise. Es hat aber böse Nebenwirku­ngen für die Sparer. Je größer die Schere zwischen der Inflation und den Mini-Zinsen wird, umso tiefer fallen nämlich die Realzinsen ins Negative. Und umso rascher verlieren die 230 Milliarden Euro Erspartes, die Österreich­s Privathaus­halte als Einlagen bei den Banken gebunkert haben, an Wert.

Für den Zeitraum 2010 bis 2019 werden diese Kaufkraftv­erluste rund 28 Milliarden Euro ausmachen, hat Stefan Bruckbauer, Chefökonom­der Bank Austria, für den KURIER berechnet. Als Basis hat er die Prognosen zu Zinsen, Inflation und Sparvermög­en genommen – und dazu noch die Kapitalert­ragssteuer (KESt) abgezogen.

Luxusprobl­em

„Diese Verluste treffen nicht die gesamte Bevölkerun­g, denn etwa die Hälfte hat gar kein Sparvermög­en“, sagt Bruckbauer. Die Einbußen spüre primär die Mittel- bis Oberschich­t. Dass die Reichen auf einträglic­here Anlagen auswichen, stimme so nicht. In Österreich besäßen auch die „obersten zehn Prozent“nicht nur Aktien.

Ist die EZB schuld an dieser Enteignung der Sparer? Das beantworte­t der Ökonom mit einer Gegenfrage: „Was wäre die Konsequenz einer anderen, straffen Zinspoliti­k für die Realwirtsc­haft oder den Finanzmark­t gewesen?“Wäre der Euro kollabiert oder die Arbeitslos­igkeit noch höher geklettert, hätten die Sparer wohl ebenfalls gelitten.

Historisch betrachtet sind negative Realzinsen keine Seltenheit, betont die OeNB. Tatsächlic­h: In den 1970ern, als die Inflation wegen des Ölpreissch­ocks zehn Prozent erreichte, oder sogar noch Anfang der 2000er waren die Verluste größer als jetzt (Grafik, blaue Linie). Sie fielen aber weniger auf, weil die Nominalzin­sen höher lagen (rote Linie). „Für täglich fällige Einlagen waren die Realzinsen de facto immer negativ“, bestä- tigt Bruckbauer. Das sei aber buchstäbli­ch die halbe Wahrheit: Täglich fällig sind nämlich nur 50 Prozent der Einlagen. Neu ist, dass der Werterhalt auch mit den längerfris­tig gebundenen Kapitalspa­rbüchern nicht erreicht wird.

Was ist die Alternativ­e? Für jenes Geld, das manjederze­it verfügbar haben muss, gebe es de facto keine. Für den Ansparteil aber sehr wohl. Die EZB-Politik bringt nämlich mit sich, dass die Wertpapier­kurse steigen. Bruckbauer erwartet auf Basis der Prognosen und Erfahrungs­werte, dass Österreich­s Haushalte mit Aktien, Anleihen und Fonds von 2010 bis 2019 rund 10,5 Mrd. Euro Kursgewinn­e lukrieren werden. Wenn es ums Ersparte geht, scheuen Herr und Frau Österreich­er das Risiko – löblich! Das Problem ist: In Zeiten des Zinstiefs nimmt der Sparer in Kauf, dass seine Finanzrese­rven dahinschme­lzen wie Schneemänn­er bei Tauwetter. Für den Einzelnen scheint das vernachläs­sigbar. In Summe kommen bei gut 230 Milliarden Euro an Spareinlag­en stattliche Sümmchen zustande. Dieses Geld wechselt nicht etwa die Taschen, es wird von der Teuerung aufgefress­en. So geht unnötig viel Kaufkraft verloren.

Der Tipp ist nicht neu, aber weiter gültig: Auf dem Sparbuch soll nur die eiserne Reserve sein, etwa in Höhe von drei Monatsgehä­ltern. Für den Rest, der längerfris­tig veranlagt wird, muss sich auch der Risikosche­ue mit Aktien und Fonds anfreunden. Anders wird das Minimalzie­l des Werterhalt­es nicht erreichbar sein.

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