„Computer lesen keine Gedanken“
Gernot Müller-Putz baut an der TU Graz Schnittstellen, die Gehirne mit Computern verbinden
Der Wissenschaftler Gernot Müller–Putz erforscht, wie Computersysteme, die Hirnströme steuern, eingesetzt werden könnten, um Menschen mit körperlichen Einschränkungen zu ermöglichen, mit ihrer Umwelt zu kommunizieren. KURIER: Was ist ein Brain-Computer-Interface (BCI)? Gernot Müller-Putz: Bei BCI steuern die Nutzer Computersysteme durch mentale Prozesse. Der Computer setzt die Kommandos um. Das System kann verschiedene Dinge ansteuern, etwa einen PC, eine Rollstuhlsteuerung oder eine Prothese. Welche Anwendungen sind bereits realisierbar?
Es gibt verschiedene Szenarien, in denen BCI verwendet werden. Im Bereich Kommunikation können solche Systeme Personen mit motorischen Einschränkungen erlauben, sich mitzuteilen oder im Internet zu surfen. Ein zweiter Bereich ist die Wiederherstellung von Hand- oder Armfunktionen durch Neuroprothesen. Auch in der Rehabilitation für Schlaganfallpatienten könnten künftig BCI eingesetzt werden. Viele Hersteller, etwa im Bereich Videospiele, bieten be- reits „Gedankensteuerungsgeräte“an. Ist das ernst zu nehmen?
BCI, die im Handel erhältlich sind, sind meist nur Spielzeug. Oft werden nicht einmal richtig Hirnströme gemessen, sondern Störungen oder andere Signale. Wo liegen die Grenzen professioneller BCI?
Auch bei den Systemen im Labor ist der Eingaberaum beschränkt. Das ist nicht wie eine Tastatur, bei der mir 200 mögliche Inputs zur Verfügung stehen. Die Systeme sind auch relativ langsam. Das ist für die erwähnten Einsatzszenarien aber nicht relevant. Hier geht es um Personen, deren Körper bei intaktem Gehirn geschädigt ist. Für einige Nutzer ist BCI sogar die einzige Option für Kommunikation mit der Außenwelt. Begriffe wie Gedankensteuerung sind also Übertreibungen?
Computer können keine Gedanken lesen. Über derartige Szenarien müssen wir uns keine Sorgen machen, das ist noch sehr weit weg, falls es überhaupt machbar sein sollte. Selbst die dafür notwendige großflächige Analyse des Gehirns liegt außerhalb unserer Möglichkeiten. Wir können derzeit nur einzelne Gehirnmuster voneinander unterscheiden. Wir messen diese Muster in den Hirnströmen, keine Gedanken. Allein die Frage, was ein Gedanke ist, ist aus wissenschaftlicher Sicht schwer zu beantworten. Welche künftigen Anwendungen sind realistisch?
Der Einsatz von BCI könnte etwa dabei helfen, das Gehirn besser zu erforschen. Auch als Lernhilfen könnten die Systeme genutzt werden. Dann würden die Hirnmuster passiv überwacht. Bei sinkender Konzentration könnten die Inhalte vereinfacht dargestellt werden. Wären limitierte Bedienszenarien, etwa als Alternative zu Maus und Tastatur, in absehbarer Zeit denkbar?
Für Gesunde wird die Bedienung eines Computers mittels BCI auf absehbare Zeit eher kein Themawerden. High Level Commands wären denkbar. Etwa wenn BCI als eine Art dritte Hand für einfache Befehle funktionieren, als Beispiel werden oft Piloten genannt. Wo liegen die Hürden für ein universell verwendbares Interface?
Die Signale sind wahnsinnig klein. Direkt am Cortex geht das besser, wir sind durch unsere nicht-invasive Methode mit EEG-Elektro- den aber 1,5 Zentimeter von der Hirnrinde entfernt. Das dämpft unsere Signale um den Faktor 1000, auf wenige Millionstel Volt. Da können Neonlampen im Raum schon Störsignale erzeugen. Wären implantierte Elektroden hier ein Fortschritt?
Invasive Methoden haben diese Probleme nicht, dafür gibt es andere Einschränkungen. So kann bei implantierten Elektroden nur ein kleines Areal überwacht werden. Mit EEG können wir verschiedene Areale erfassen. Solche Implantate werfen auch ethische Fragen auf.
Das Implantieren von Elektroden ist ethisch schwierig. In Österreich gibt es damit noch keine Erfahrungen. In Deutschland gibt es Versuche mit Primaten. Lässt sich die Geschwindigkeit erhöhen?
Beschleunigen lässt sich das nur bedingt. Die Signalübertragung im Gehirn ist ein limitierender Faktor. Durch die Verbesserung des Verhältnisses zwischen Signal und Rauschen könnte aber eine etwas schnellere Bedienung erreicht werden. Auch hier wäre eine Elektrode direkt auf dem Gehirn schneller. Die Eingabemethode wird aber niemals so schnell wie das Schreiben mit dem Finger sein.